Veröffentlicht inEinzeltests

Huawei Watch 3 Pro im Test: Viel Luft nach oben

Hört sich nach der perfekten Smartwatch an: Schicker Bildschirm, eSIM-Unterstützung, App-Store und ordentliche Akkulaufzeit. Kann die Watch 3 Pro die hohen Erwartungen erfüllen?

Watch 3 Pro classic
Quelle: Huawei

Produktdetails
  • 54 Gramm
  • 5 ATM
  • ca. 3 Tage
  • 16 GB
  • 499 Euro

Huawei hat einige Smartwatches mit sehr gutem Preis/Leistungsverhältnis im Portfolio, jetzt wollen die Chinesen bei den Großen mitspielen und die Apple Watch 6 und die Samsung Galaxy Watch 3 angreifen: Die Watch 3 Pro bietet aus diesem Grund nicht nur hochwertige Gehäusematerialien und Mobilfunk unabhängig vom Smartphone, auch preislich stößt Huawei in neue Dimensionen vor. Das getestete Modell „Watch 3 Pro classic“ kostet beispielsweise stolze 500 Euro. Ob Käufer für diesen Preis auch eine Top-Smartwatch erhalten, hat IMTEST untersucht.

Optisch hinterlässt die Watch 3 Pro auf jeden Fall einen guten Eindruck: Großer, 1,43 Zoll OLED-Touchscreen, Titanium-Gehäuse samt Keramik-Rückseite und kratzfestes Saphirglas. Ein dicker Brocken und definitiv nichts für zarte Handgelenke. Die Bedienung erinnert an die Apple Watch 6: Auf der rechten Seite des Gehäuses befindet sich neben einer drehbaren Krone eine programmierbare Taste. Die Krone unter anderem zum Scrollen durch die Menüs und zur Justierung der Lautstärke.  In Kombination mit dem Touchscreen ergibt sich so eine intuitive Bedienung. Einen großen Teil trägt dazu der Bildschirm bei, der mit einer Pixeldichte von 326 ppi zu den schärfsten auf dem Smartwatch-Markt gehört. Darüber hinaus glänzt der AMOLED-Bildschirm mit sattem Schwaz und knalligen Farben.  

Watch 3 Pro am Handgelenk
Die Watch 3 Pro, hier die Classic-Variante mit Lederarmband, ist nichts für zarte Handgelenke. Quelle: IMTEST

Smarte Features: Keine Chance gegen die Apple Watch

Durch die Integration einer eSIM sowie Mikrofon und Lautsprecher erlaubt die Watch 3 Pro das Telefonieren unabhängig vom Smartphone. Das funktioniert – genau wie bei der Apple Watch – abhängig von den Umgebungsgeräuschen ausgesprochen gut. Ein dickes Manko aber: Messenger-Funktionen werden nicht durch die eSIM unterstützt. Bedeutet: Ohne Verbindung zum Smartphone zeigt die Uhr keine Nachrichten an. Darüber hinaus ist die Uhr generell nicht in der Lage, Nachrichten zu beantworten. Schwach.

Gut hingegen: Es gibt eine Sturzerkennung mit Notruffunktion. Registriert die Uhr also einen Unfall, wechselt sie unverzüglich in den Notfall-Modus und informiert die hinterlegten Notfallkontakte. Alternativ gibt es die Möglichkeit, fünfmal die Krone zu drücken, um schnell einen Notruf abzusenden.

Durch die eSIM könnten sich theoretisch auch Podcasts und Musik-Streams-Abseits vom Handy hören lassen, so wie es die Apple Watch mit Spotify macht. Auf der Watch 3 Pro ist auch das nicht möglich. Es fehlt schlicht an den entsprechenden Apps. Allein „Huawei Music“ wird unterstützt – aber wer nutzt das schon?

Apropos Apps: Huawei verspricht durch die Anbindung der „AppGallery“ die Möglichkeit, Apps aus den Bereichen Musik, Fitness, Alltagstools und Reisen auf die Watch 3 herunterladen zu können auf diese Weise neue Funktionen auf die Uhr zu bringen. Die Idee ist gut, nur hapert es derzeit noch sehr an der Auswahl. Zum Testzeitpunkt Ende Juni waren gerade einmal 36 Apps verfügbar. Im Vergleich zu den Stores von Apple und Google ist das grotesk wenig. Obendrein fehlen große Namen. Zu den Highlights gehören aktuell „Tagesschau“ und „Kicker“. Auch andere smarte Funktionen lassen zu wünschen übrig:

  • Sprachassistent: Das Gegenstück zu Siri hört bei Huawei auf den Namen „Celia”. Die Sprachassistentin beantwortet zwar Fragen zum Wetter, startet Apps und steuert die Musikwiedergabe, vom Wissen und der Funktionalität von Siri oder Bixby ist die Huawei-Assistentin noch meilenweit entfernt.
  • Kontaktloses Bezahlen: Theoretisch soll die Stocard-App laut Huawei künftig Mastercard-Kreditkarten Kreditkarten unterstützen, zum Testzeitpunkt war das aber nicht möglich.
  • Navigation: Während auf den Apple Watch die hauseigene “Karten”-App und auf der Galaxy Watch 3 etwa „Here” den Weg in der Fremd weist, ist Watch 3 Pro lediglich in der Lage beim Training im Freien zurück zum Startpunkt zu lotsen.

Man muss Huawei zugutehalten, dass das neue hauseigenen Betriebssystem „Harmony OS“, das auch in Kürze auf den eigenen Smartphones zum Einsatz kommt, noch jung ist und demnach viel Potenzial nach oben hat. Zum jetzigen Zeitpunkt zieht die Watch 3 Pro bei den smarten Funktionen im Vergleich zu Apple und Google allerdings eindeutig den Kürzeren.

Sport und Gesundheit: Licht und Schatten

Besser sieht es dagegen bei den Fitness- und Sportfunktionen aus, die im Groben denen der Huawei Watch GT 2-Serie entsprechen. Die Uhr bietet 100 Trainingsmodi, darunter 19 professionelle, die umfangreichere Metriken zeigen. Dazu gibt es diverse Laufkurse für Anfänger und Fortgeschrittene und Anleitungen für Fitnessübungen zuhause. Die Auswertungen sind in der Regel detailliert und zeigen gängige Infos wie zurückgelegte Strecke, Durchschnittsgeschwindigkeit, Herzfrequenz und Höhenmeter. Darüber hinaus liefert die App Informationen zur anaeroben und aeroben Belastung, Trainingsbelastung und empfohlener Erholungszeit.

Unrealistische Werte bei Kalorienverbrauch und Temperatur

Während die Angaben zu Distanz und Herzfrequenz im Vergleich zur IMTEST- Sportreferenz Garmin Fenix 6 Pro solar wirklichkeitsnah erschienen, kamen den Testern die Angaben zum Kalorienverbrauch unrealistisch hoch vor. Ein Beispiel: Während Garmin für eine rund dreistündige Rad-Trainingseinheit 1.530 Kilokalorien errechnete, gab Huawei Health dagegen 2.967 Kilokalorien aus. Ähnlich optimistisch erschien den Testern auch die Angabe zur Vo2-Max. Ein weiterer Minuspunkt: Die Watch 3 Pro unterbricht das Training nicht automatisch, wenn der Träger zum Stehen kommt (Auto Pause-Funktion). Stoppt dieser das Training nicht jedes Mal manuell, sind verfälschte Ergebnisse die Folge.

Im Bereich Gesundheit ist HUAWEI Watch 3 durchschnittlich aufgestellt: Sie misst die Herzfrequenz, Blutsauerstoffsättigung (SpO2), Stresslevel, Körpertemperatur und überwacht den Schlaf. Nicht an Bord sind dagegen Funktion zum Erstellen eines Elektrokardiogramms (EKG) sowie zum Messen des Blutdrucks. Dafür hat die Watch 3 Pro als Alleinstellungsmerkmal einen Temperatursensor an Bord, der dabei helfen soll, mögliche Anzeichen für Fieber oder Krankheiten zu erkennen. Die Messung funktionierte im Test aber mehr schlecht als recht. Im Schnitt bewegte sich die angezeigte Temperatur zwischen 29 und 34 Grad, was mit der tatsächlichen Temperatur ungefähr so viel zu tun hatte, wie die Deutsche Nationalmannschafft mit Tempofußball.  

FAZIT

Oft liefern Huawei-Smartwatches aufgrund ihres meist niedrigen Preises mehr als erwartet. Im Fall der Watch 3 verhält es sich genau umgekehrt: Angesichts des hohen Preises und der blumigen Versprechungen eines vollwertigen App-Shops und vieler smarten Funktionen fällt das Fazit nüchtern aus. Die Watch 3 Pro ist beileibe keine schlechte Smartwatch, aber zu den Referenzen Apple Watch 6 und Galaxy Watch 3 fehlt funktional noch ein ganzes Stück.

  • PRO
    • Schöner, großer und scharfer Bildschirm, Gute Sport- und Fitnessfunktionen
  • KONTRA
    • App-Shop bietet (noch) wenig Auswahl, schwache Messaging-Funktionen

IMTEST Ergebnis:

gut 2,4

Nils Matthiesen

Testet als freier Mitarbeiter für IMTEST schwerpunktmäßig IT-Produkte, wie Notebooks und Computerzubehör. Auch Wearables, wie Sportuhren und Ohrhörer gehören in sein Test-Repertoire. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet Nils Matthiesen als Technik-Journalist: Anfangs als fester Redakteur beim Computerverlag Data Becker (u.a. PC Praxis), später als selbständiger Journalist für Verlage wie Axel Springer (Computerbild), Spiegel und Handelsblatt. Neben Technik nimmt vor allem Sport viel Raum im Leben des Familienvaters ein. Sie erreichen ihn via E-Mail.