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Polar Vantage V3 im Test: Zurück zu alter Stärke?

Mit der Sportuhr Vantage V3 will Polar wieder angreifen.

Polar Vantage V3 am Handgelenk
© Polar

Polar produziert schon seit 1977 Fitnessgeräte. Doch im wachsenden Smartwatch-Markt tun sich die Finnen schwer und spielen nur noch eine Nebenrolle. Vor allem Garmin hat weiterentwickelte Produkte mit besseren Funktionen für die Fitness-Zielgruppe im Regal. Schafft die neue Vantage V3 die Wende? Auf dem Papier bringt die neue Sportuhr dafür alle wichtigen Zutaten mit: Moderne Sensoren, starke Hardware und sogar Offline-Karten. Wie gut sie in der Praxis funktioniert, hat IMTEST getestet.

Design Vantage V3
Auffällig unauffällig: Bei der Vantage V3 setzt Polar auf ein schlichtes Design. © Polar

Polar Vantage V3: Das ist neu

Polar hat die Vantage V3 nach eigenen Angaben von Grund auf neu entwickelt und eine ganze Reihe von neuen Sensoren und Funktionen in die Vantage V3 eingebaut. Hier die wichtigsten Neuerungen:

  • Offline-Kartenmaterial: Endlich bietet Polar eine Uhr mit echtem Kartenmaterial an. Wanderer zum Beispiel müssen nicht einer imaginären Linie folgen, sondern sehen, wie Straßen und Landschaften in der Nähe aussehen.
  • AMOLED-Display: Das Touch-Display mit einem Durchmesser von 3,5 Zentimetern hat eine scahrfe Auflösung von 454 x 454 Pixeln und bietet satte Farben. Das verbessert die Lesbarkeit enorm.
  • Dual-Band-GPS-Sensor: Neben GPS empfängt die Uhr die Signale von vier weiteren Navigationssatellitensystemen (Glonass, Galileo, Beidou und QZSS), deren Signale sie auf zwei Frequenzen empfängt. Ziel dieser sogenannten Multifrequenztechnik ist die Verbesserung der Messgenauigkeit vor allem unter schwierigen Bedingungen wie in engen Häuserschluchten oder im Wald.
  • Biosensoren: Neben einem optischen Sensor zur Messung der Herzfrequenz setzt Polar Sensoren zur Messung der Sauerstoffsättigung, der Hauttemperatur und der Herzfrequenzvariabilität (HFV) ein. Sogar ein EKG lässt sich anfertigen.  

Auch in anderen Bereichen hat die Vantage V3 zeitgemäß weiterentwickelt. So verfügt das Ladekabel über einen USB-C-Anschluss und der Prozessor hat an Geschwindigkeit zugelegt. Allerdings muss man auch festhalten: Richtig neu ist bei der Vantage V3 nichts, Polar hat lediglich zur Konkurrenz aufgeschlossen. AMOLED-Displays, Multiband-GPS, Offline-Karten und biometrische Sensoren hat beispielsweise Garmin schon mit der ersten Epix Anfang 2022 eingeführt. Preislich (599 Euro UVP) konkurriert die Vantage V3 dabei am ehesten mit der Garmin Forerunner 965 (649 UVP).

Vantage V3: Die Optik

Optisch kommt die Vantage V3 unspektakulär daher. Es gibt sie in Schwarz, Blau und Weiß – die beiden letztgenannten Varianten haben ein silberfarbenes Gehäuse. Mit 47 Millimetern Durchmesser und 14,5 Millimetern Höhe ist sie für eine Multisportuhr kompakt und wirkt auch an schlanken Handgelenken nicht zu groß. Beim Gehäuse setzt Polar auf eine Mischung aus Aluminium auf der Oberseite und Kunststoff auf der Unterseite, dazu kommen fünf Tasten für die Bedienung. Das macht die Uhr leicht – sie wiegt nur 57 Gramm – und damit sehr bequem.

Vantage V3 Farbvarianten
Polar bietet die Vantage V3 in nur einer Größe aber immerhin 3 Farben an: sunrise apricot, night black und sky blue. © Polar

Die Bedienung über die fünf Knöpfe folgt dem von Polar bekannten Schema. Der obere und der untere Knopf auf der rechten Seite dienen dazu, sich im Menü nach oben (links) bzw. nach unten (rechts) zu bewegen. Zum Bestätigen einer Eingabe, zum Starten einer Aufzeichnung oder zum Starten einer Runde dient der mittlere Knopf. Der Knopf oben links schaltet die Anzeige ein oder aus und der Knopf unten links führt ins Menü oder dient als Zurück-Knopf.

Vantage V3: Ordentliche Akkuleistung

Mit aktiviertem Always-on-Bildschirm verliert die Vantage V3 pro Tag etwa 25 Prozent an Akkuleistung. Nach etwa vier bis fünf Tagen will sie aufgeladen werden – das ist in Ordnung. Beim Sport verbraucht die Smartwatch etwa drei bis vier Prozent Akkuladung pro Stunde. Das sind etwa 28 Stunden Aktivitätsaufzeichnung mit eingeschaltetem GPS – sehr gut. 

Wer noch länger aktiv sein möchte, kann in den Stromspareinstellungen die Aufzeichnung der Satellitensignale von „jede Sekunde“ auf „alle zwei Minuten“ und von „höhere Genauigkeit“ auf „Stromsparen“ umstellen. Auf diese Weise wird eine Aufzeichnungsdauer von 120 Stunden bei voll aufgeladener Uhr gewährleistet. Auch gut: Damit der Träger weiß, wie lange die Uhr durchhält, zeigt sie vor Beginn einer Aktivität an, wie lange sie mit den aktuellen Einstellungen und dem aktuellen Akkustand voraussichtlich durchhält.

GPS & Pulsmessungen: Licht und Schatten

Gute Nachrichten gibt es auf jeden Fall zum Thema GPS-Genauigkeit. So erweist sich die Multiband-Implementierung als genauer als bei der ersten Version der Polar Ignite 3 im letzten Jahr. Zwar erreicht die Vantage V3 nicht ganz die Genauigkeit der Garmin Epix Pro und der Apple Watch Ultra 2, aber es reicht immer noch für ein „sehr gut“. Insgesamt erfasste die Smartwatch sowohl die zurückgelegte Strecke als auch die Distanz sehr genau, nur in besonders schwierigem Gelände gab es Abweichungen. Dies ist aber bei kaum einer Smartwatch zu vermeiden.

Weniger gut sieht es ausgerechnet bei der Pulsmessung aus, eigentlich eine Spezialität von Polar. So kam es im Test gelegentlich zu Aussetzern, bei denen die Herzfrequenz zeitweise deutlich von dem mit dem Brustgurt ermittelten Wert abwich. Dieses Phänomen trat nicht bei jeder Aktivität auf, aber immer wieder. Auf die Werte sollte man sich aber verlassen können, vor allem wenn es sich um eine spezielle Sportuhr handelt. Immerhin ist es möglich, per Bluetooth einen Brustgurt zu koppeln.

Vantage V3: Nicht viel Neues rund um Sport

Wer eine Smartwatch von Polar erwirbt, wird sie wahrscheinlich in erster Linie beim Sport nutzen. Die Polar Plattform umfasst dazu eine Vielzahl von Sportprofilen und deckt so gut wie jede Sportart ab. Gut: Wer mit der Uhr trainiert, erhält eine Rückmeldung über den Trainingseffekt, den erholsamen Schlaf und die Fitness. Dafür benötigt die Smartwatch einige Tage sowie Trainingseinheiten, um in Kombination mit dem individuellen Profil (Geschlecht, Alter, Trainingsumfang, Herzfrequenzbereiche) Tipps und Hinweise liefern zu können. Auf dieser Basis macht die Smartwatch auch Vorschläge für geeignete Einheiten, um die allgemeine Fitness zu verbessern oder auf konkrete Ziele hin zu trainieren. Wer möchte, erhält mit der Vantage V3 also eine Art Trainer fürs Handgelenk.

Abweichungen App und Uhr
Verwirrend: Obwohl frisch synchronisiert meldet die Polar Flow-App “Überfordernd” während die Uhr zu wenig Training moniert. © IMTEST

Vantage V3: Ausgereifte Gesundheitsfunktionen

Die Funktion SleepWise zeigt zum Beispiel  an, wann das Energielevel des Trägers am höchsten sein sollte und wann eher eine Pause angebracht ist – erinnert also ein wenig an die „Body Battery“ von Garmin. Diese Ansicht kann direkt auf dem Display der Uhr verfolgt werden. Eine weitere für Polar-Funktion ist die Messung der nächtlichen Hauttemperatur während des Schlafs, die tägliche Updates im Vergleich zum Durchschnitt der letzten 28 Tage liefert. Dies kann z.B. bei der Erkennung von Infektionen hilfreich sein, da Temperaturerhöhungen oft ein Anzeichen dafür sind. Die Funktion Work-Rest Guide analysiert laut Polar die Herzfrequenz während der Belastungs- und Ruhephasen eines Krafttrainings und zeigt an, wann es Zeit für die nächste Belastungsphase ist. Dazu gibt es Infos rund die Herzfreqenzvariabilität, durchschnittliche Herzfrequenz, Atemfrequenz und vieles mehr. Ein besonderes Lob verdient zudem die ausführliche Schlafanalyse.

Schlafanalyse Polar
Bei der Schlafanalyse zählt die Vantage V3 zu den besten Smartwatches auf dem Markt. © IMTEST

Eine weitere nützliche Funktion, wenn auch nicht neu, ist der “FitSpark” genannte Trainingsleitfaden. Konkret schlägt die Vantage V3 täglich Trainingseinheiten aus den Bereichen „Kraft“, „Cardio“ und „Unterstützung“ vor, die auf den von der Smartwatch erfassten Erholungs- und Trainingsdaten basiert. Das kann helfen, die allgemeine Fitness zu verbessern, um ausgeklügelte Trainingspläne zur Steigerung der Leistung handelt es sich aber nicht.

Nightly Recharge
Bei der Funktion Nightly Recharge handelt es sich um eine nächtliche Erholungsanalyse, die anzeigt, wie gut der Körper die Gesamtbelastung der letzten Zeit bewältigt. © IMTEST

Polar: Stillstand bei den Fitnessfunktionen

Generell sind die Fitness- und Sportfunktionen der Vantage V3 gut, allerdings hat sich in diesem Bereich bei Polar seit der Vorstellung der GritX vor zwei Jahren wenig getan. Während z.B. Garmin für Läufer inzwischen erweiterte Laufmetriken inklusive Schrittlänge, Vertikalverhältnis und -Bewegung sowie Bodenkontaktzeit ermittelt, beschränkt sich Polar auf die Laufleistung in Watt und die Schrittfrequenz. Auch an vielen anderen Stellen ist die Vantage V3 nicht auf der Höhe der Zeit. Beispiel Sportprofile: Davon bietet die Polar-Smartwatch immerhin mehr als 150.

Doch wechselt man ins Aktivitätsmenü, gibt es keine Liste. Stattdessen gibt es für jede Sportart eine eigene Seite. Im schlimmsten Fall muss man also ewig scrollen, um die gewünschte zu finden. Zwar lassen sich die Aktivitäten in der Polar Flow App sortieren, so dass man die Sportarten in der Reihenfolge anordnen kann, in der man sie am ehesten ausüben wird. Aber das ist doch etwas umständlich. Ebenfalls fragwürdig: Polar spendiert der Vantage V3 ein großes, scharfes Display und konfigurierbare Datenfelder für Aktivitäten, beschränkt deren Anzahl aber auf vier? Wieso?

Polar Flow-App Leistungsanalyse
Die Vantage V3 ermittelt zwar die Laufleistung in Watt, es fehlen aber Metriken wie Bodenkontaktzeit oder Vertikalbewegung. © IMTEST

Vantage V3 jetzt mit EKG

Neu ist immerhin die Möglichkeit, sich von der Vantage V3 ein EKG erstellen zu lassen und dieses z.B. seinem Arzt zur Verfügung zu stellen. Das EKG von Polar unterscheidet sich jedoch wesentlich von anderen Smartwatches. Zum einen ist es nicht medizinisch zertifiziert. Polar schreibt selbst, dass das EKG am Handgelenk nicht für medizinische Zwecke, Diagnosen oder Behandlungen gedacht ist und die Daten nicht für medizinische Zwecke verwendet werden dürfen. Es ist klar, dass Polar aus rechtlichen Gründen darauf hinweist. Aber aus welchem anderen Grund sollte man einen solchen Test durchführen?

Zum anderen gibt es funktionale Unterschiede. Während beispielsweise die Apple Watch oder die Samsung Galaxy Watch 6 mit der sogenannten “Afib-Erkennung” arbeiten, also nach Anzeichen für einen abnormalen Herzrhythmus suchen, tut das die Vantage V3 nicht. Kurzum: Der EKG-Test erweckt den Eindruck, als sei er in erster Linie dazu gedacht, auf dem Datenblatt eine gute Figur zu machen – für die Praxis hat er wenig zu bieten.



Navigation: Karten mit Haken

Eine Funktion, auf die vor allem viele Outdoor-Sportler großen Wert legen, ist Kartenmaterial. Aus gutem Grund, schließlich ist es nicht nur cool die ganze Welt am Handgelenk zu haben, beim Wandern und selbst beim Biken ist es ungemein praktisch. Nun bietet auch Polar mit der Vantage V3 erstmals echte Offlinenavigation. Aber auch hier gibt es viele Fragezeichen.

Karten auf der Vantage V3
Die “detaillierten” Karten beinhalten zwar zum Beispiel Wanderwege, aber keine Straßennamen oder POIs. © Polar

Der erste Schritt besteht darin, die gewünschten Karten auf die Smartwatch zu laden. Standardmäßig ist die Vantage V3 zwar mit europäischen und nordamerikanischen Karten in einer “Basiskonfiguration” vorinstalliert. Die detaillierten Karten inklusive Flüssen, Bächen, Wanderwegen und topografischen Daten müssen aber noch heruntergeladen und installiert werden. Das geht allerdings nicht per WLAN direkt über die Smartwatch, sondern nur per USB-Kabel und Computer. Das ist an sich kein Thema und funktioniert gut, wirkt aber seltsam anachronistisch. Es gibt es weitere Merkwürdigkeiten:

  • Die Vantage V3 verfügt über ein Navigations-Widget, das jedoch nur einen Kompass und die installierte Karte anzeigt. Die Offline-Karte ist nur in den Sportprofilen verfügbar.
  • Auf der Vantage V3 können keine Ziele eingegeben werden. Es ist nicht möglich, eine Adresse in die Uhr einzugeben oder sich alternative Routen nach Hause anzeigen zu lassen, wenn man vom Kurs abkommt. Stattdessen muss die Route im Voraus geplant werden, zum Beispiel in Komoot.
  • Im Sportmodus zeigt ein blauer Punkt die aktuelle Position. Diese Funktion kann jedoch nicht mit einer Route verwendet werden. Der Grund dafür ist, dass Polar derzeit keine historischen Trackdaten auf der Karte anzeigt, solange keine Route geladen ist.
  • Die Karten beinhalten keine Straßennamen, Wegpunkte oder POIs.

Kurzum: Die Navigation hinterlässt unterm Strich ebenfalls einen unfertigen Eindruck.

Smarte Funktionen: Polar weiter schwach

Die Vantage V3 3 ist zweifellos ein guter Fitnesstracker. Doch bei den smarten Funktionen hängt Polar immer noch der Konkurrenz hinterher. So bietet die Smartwatch nur Basisfunktionen wie Benachrichtigungen, Wecker und Mediensteuerung. Aber selbst das macht sie schlecht. Auf Benachrichtigungen vom Smartphone, wie Hinweise auf Anrufe und Messages, weist die Smartwatch lediglich durch Vibration der Uhr und einen roten Punkt auf dem Bildschirm hin. Die eigentlich Nachricht wird erst dann sichtbar, wenn man von unten nach oben über das Display wischt. Das ist sehr umständlich.

Die Vantage V3 unterstützt darüber hinaus weder kontaktloses Bezahlen noch das Abspielen von Musik direkt auf der Uhr – lediglich das Steuern von Musik auf dem gekoppelten Smartphone ist möglich. Auch das Annehmen von Anrufen oder das Beantworten von Textnachrichten ist nicht möglich. Ein App-Store zum Nachrüsten von Funktionen fehlt ebenfalls. Nicht nur wegen der fehlenden Funktionen machen sowohl die Oberfläche der Uhr als auch die App inzwischen einen verstaubten Eindruck. Nicht einmal ein automatisches Abschalten des Displays zu bestimmten Zeiten, z.B. abends zur Schlafenszeit, ist möglich.

Fazit

Oberflächlich betrachtet ist die Polar Vantage V3 kein schlechtes Produkt. Ganz im Gegenteil: Technisch bringt sie alles mit, was eine gute Fitness-Smartwatch dieser Preisklasse heutzutage haben muss – wenn auch nicht viel mehr. Es hapert aber im Detail. Details wie, dass es keine Möglichkeit gibt, die Anzeigedauer des Displays oder die Helligkeit der Taschenlampe einzustellen. Dass es nur vier Zifferblätter gibt. Dass die Pulsmessung unzuverlässig arbeitet. Oder dass Kartenmaterial nur über den PC geladen werden kann und weitere Unzulänglichkeiten rund um das Thema Navigation. Kurz: Die Vantage V3 wirkt zum Testzeitpunkt Ende November 2023 unfertig.

  • PRO
    • Gute Hardware, ausgereifte Fitnessfunktionen
  • KONTRA
    • Mängel im Detail, fehlende Smartwatch-Funktionen (z.B. Musik, Apps, Payment)

IMTEST Ergebnis:

gut 2,3

Nils Matthiesen

Testet als freier Mitarbeiter für IMTEST schwerpunktmäßig IT-Produkte, wie Notebooks und Computerzubehör. Auch Wearables, wie Sportuhren und Ohrhörer gehören in sein Test-Repertoire. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet Nils Matthiesen als Technik-Journalist: Anfangs als fester Redakteur beim Computerverlag Data Becker (u.a. PC Praxis), später als selbständiger Journalist für Verlage wie Axel Springer (Computerbild), Spiegel und Handelsblatt. Neben Technik nimmt vor allem Sport viel Raum im Leben des Familienvaters ein. Sie erreichen ihn via E-Mail.