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Grit X Pro im Test: Supersportler mit Schwächen

Die neue Polar-Smartwatch Grit X Pro glänzt im Test als absolute Sportskanone, schwächelt dafür aber in anderen Bereichen.

Die Polar Grit X Pro in schwarz.warz
© Polar

Die Grit X Pro ist die neue Flaggschiff-Smartwatch von Polar. Dabei handelt es sich um ein funktionales Update der im letzten Jahr eingeführten Grit X. Es gibt sie in zwei Varianten:  als Grit X Pro (499,90 Euro) sowie als Grit X Pro Titan (599,95 Euro), die funktional identisch ist, dafür aber eine edlere Optik bietet, 12 Prozent leichter sein soll und zusätzlich über ein Lederarmband verfügt. IMTEST hat die günstigere Version getestet.

Grit X Pro: Auf Sport getrimmt

Genau wie beim Vorgänger will Polar bei der Grit X Pro eine ganz bestimmte Zielgruppe ansprechen: Outdoor-Fans, die gerne an frischer Luft Wandern, Laufen oder Radfahren. Neu ist, dass die „Pro“ im Unterschied zur Grit X auf widerstandsfähigeres Saphirglas setzt und weiterhin der Militärnorm MIL-STD-810G standhält. Bedeutet: Sie soll einem Wasserdruck von bis zu 100 m und Temperaturen von -20 bis 50 Grad Celsius standhalten. Schon einmal gute Voraussetzungen für den harten Outdoor-Einsatz.

Ansonsten hat sich in Sachen Hardware wenig getan. Das ist keine gute Nachricht, denn im Vergleich zu anderen, zum Teil deutlich günstigeren Smartwatches wie der Huawei Watch GT 3, wirkt die Grit X Pro inzwischen technisch leicht angestaubt. Das liegt vorrangig am dunklen transflektiven Touch-Display, das sich in Innenräumen nicht immer gut ablesen lässt. Denn im Vergleich zu Bildschirmen auf OLED-Basis ist es blass und unscharf. Zum beschriebenen Eindruck trägt nicht zuletzt auch der dicke Rahmen bei. Das schicke Displays und lange Akkulaufzeit sich nicht mehr ausschließen, sollten auch die Polar-Entwickler wissen.

Grit X Pro im Freien
Der blasse Bildschirm macht nur bei Sonnenlicht eine passable Figur. Quelle: IMTEST

Grit X Pro: Technisch einen Schritt hinterher

Dabei fällt die Akkulaufzeit im Alltag nicht einmal außergewöhnlich gut aus. Polar wirbt zwar mit einigermaßen realistischen 7 Tagen im Smartwatch-Modus (gemessen sechs Tage), inzwischen ist das aber allenfalls durchschnittlich, wenn man nicht gerade die Apple Watch 7 oder die Galaxy Watch4 als Referenz heranzieht. Schwerer ins Gewicht fällt, dass die Grit X Pro auf Eingaben oft nur mit Verzögerung reagiert. Das betrifft vor allem die Bedienung per Touchscreen, aber mitunter auch die Tasten. Das macht die ohnehin komplexe Bedienung zusätzlich schwierig. Nicht zuletzt könnte auch die Smartphone-App einen Neuanstrich vertragen, die optisch und funktional ebenfalls altbacken wirkt. So stehen viele Funktionen und Auswertungen nur über das Web-Interface zur Verfügung, nicht in der App selbst.

Grit X Pro Rückseite
Die Herzmessung auf Basis des sogenannten Polar Precision Prime™ Sensors funktionierte im Test zuverlässig. Credit: IMTEST

Sport und Fitness: Polar legt hohe Messlatte

Polar Flow Auswertung

Dafür ist die Grit X Pro in Sachen Fitness und Aktivitäten so gut wie kaum eine andere Smartwatch aufgestellt. Für aktive Sportler gibt es unzählige Spezialfunktionen. Dazu zählen zum Beispiel der Hill Splitter, der automatisch Steigungen und Gefälle während einer Trainingseinheit erkennt und detaillierte Daten für die Segmente anzeigt. Das ist etwa nützlich für die Beurteilung der Leistung bei längeren Läufen über hügeliges Gelände. Oder Fuel Wise, wodurch die Grit X Pro auf Basis der gemachten Aktivitäten, der Dauer einer geplanten Einheit und der aktuellen Herzfrequenz den Träger daran erinnert Flüssigkeit und Kohlenhydrate zu sich zu nehmen.

Während es diese Funktionen schon beim Vorgänger gab, sind bei der Grit X Pro endlich auch Trainingsempfehlungen und Erholungsratgeber an Bord. Dabei basieren die Fitspark genannten Trainingsvorschläge auf dem aktuellen Fitnesslevel, den vorgegebenen Zielen, der Aktivitätshistorie und der Schlafqualität. Gut: Polar versteckt dabei Erkenntnisse nicht nur hinter kryptischen Zahlen, sondern schreibt schwarz auf weiß, was etwa ein Training gebracht hat und wie es um den aktuellen körperlichen Status bestellt ist (siehe Bilder rechts).

Polar Flow Status

Wer will, kann darüber hinaus seinen aktuellen Fitness-Zustand mit speziellen Tests unter die Lupe nehmen und erhält dann noch genauere Tipps und Hinweise. So bietet die Uhr zum Beispiel Radfahr- und Lauftests an, die dem Träger helfen sollen, genaue Trainingszonen zu bestimmen. Die verschiedenen Funktionen und Auswertungen basieren dabei auf den recht genauen Messungen des Pulssensors und der GPS-Einheit zur Standortbestimmung. Bei mehreren Testläufen- und Fahrten ergaben sich im Vergleich zur Pulsmessung per Brustgurt und anderen guten Smartwatches wie der Garmin Fenix 6 Pro Solar zumindest keine großen Unstimmigkeiten. Zu den weiteren Neuerungen zählt eine brauchbare Turn-by-Turn-Navigation, die einen im unbekannten Terrain zuverlässig zurück zum Startpunkt lotst. Hätte die Grit X Pro zusätzlich ANT+ (etwa zur Kopplung von smarten Indoor-Geräten) sowie eine Sturzerkennung an Bord, wäre im Bereich „Sport“ noch eine bessere Note als “1,7” möglich gewesen.



Grit X Pro: Smart geht anders

Wer allerdings eine Smartwatch für den Alltag sucht, ist mit der Grit X Pro falsch beraten. Als „Highlight“ gibt es jetzt eine Musiksteuerung, mit dessen Hilfe sich Player auf dem Smartphone steuern lassen. Innovativ wäre, wenn sich Playlisten von Streaming-Diensten wie Spotify synchronisieren ließen, und so das Smartphone beim Sport zu Hause bleiben könnte. Neu sind zudem die sogenannten Dashboards, dreizehn an der Zahl. Dabei handelt es sich um verschiedene Ziffernblätter, die zum Beispiel das Wetter, die aktuelle Höhenlage oder den Cardio Load-Status anzeigen. Zweifelslos praktisch, andere Hersteller bieten allerdings eine Auswahl von hunderten Watchfaces, die sich zum Teil individuell konfigurieren lassen.

Ein echter App-Store ist zudem Mangelware, immerhin lassen sich Dienste wie Nike+, Komoot, Strava, MyFitnessPal und TrainingPeaks verknüpfen. So reicht es bei den smarten Funktionen nur zu der Note “4,7”. Dünn sieht es auch bei den Gesundheitsfunktionen (Note 4,3) aus: Neben Pulsmessung bietet die Uhr eine detaillierte Schlafanalyse. EKG, Blutdruck- und Blutsauerstoffsättigung oder Temperaturmessung? Fehlanzeige.

FAZIT

Auf der einen Seite handelt es sich bei der Grit X Pro um eine Smartwatch, die für ambitionierte Sportler definitiv zu den besten zählt und mit einzigartigen Funktionen punktet. Auf der anderen Seite hinterlässt die Technik in Bezug auf Bildschirm, Bedienung, Smart- und Gesundheitsfunktionen keinen taufrischen Eindruck. Angesichts des sportlichen Preises von 500 Euro fällt es daher schwer, eine Kaufempfehlung auszusprechen. Denn in diesem Preisgefüge tummeln sich schließlich auch Modelle wie die Garmin Fenix 6 Pro, die in Sachen Ausstattung und Alltagsfunktionen mehr zu bieten hat.

  • PRO
    • Top im Bereich Sport, Outdoor & Fitness.
  • KONTRA
    • Technisch und funktional nicht auf dem neusten Stand.

IMTEST Ergebnis:

befriedigend 2,8

Nils Matthiesen

Testet als freier Mitarbeiter für IMTEST schwerpunktmäßig IT-Produkte, wie Notebooks und Computerzubehör. Auch Wearables, wie Sportuhren und Ohrhörer gehören in sein Test-Repertoire. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet Nils Matthiesen als Technik-Journalist: Anfangs als fester Redakteur beim Computerverlag Data Becker (u.a. PC Praxis), später als selbständiger Journalist für Verlage wie Axel Springer (Computerbild), Spiegel und Handelsblatt. Neben Technik nimmt vor allem Sport viel Raum im Leben des Familienvaters ein. Sie erreichen ihn via E-Mail.