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Rollei Fernglas 10×42 Pro im Test: Reicht es für die Oberklasse?

Hochwertig, robust, scharf – der Herausforderer trumpft auf.

Das Fernglas Rollei 10x42 Pro, auf einem Tisch stehend.
© IMTEST

Beim Namen Rollei werden Kamera-Fans hellhörig: Die Firma zählte schon vor 100 Jahren zu den Innovatoren im Foto-Bereich – die turbulente Firmengeschichte schreit eigentlich nach einem zweistündigen Fernsehfilm, nur echt mit dem Untertitel „eine deutsche Unternehmensgeschichte“. Mittlerweile firmiert der Traditionshersteller unter dem Namen Rollei GmbH & Co. KG, die Produktentwicklung sitzt im schleswig-holsteinischen Norderstedt, das Design kommt aus Hongkong. Foto-Zubehör wie Stative, Blitze, Objektive und Filter machen heute den Hauptumsatz der Firma aus, doch es gibt auch Action-Cams, Powerstations und Foto-Rucksäcke mit dem ikonischen Rollei-Schriftzug.



Auch im Bereich der Ferngläser ist Rollei kein unbeschriebenes Blatt, lieferte z. B. schon Feldstecher für das britische Militär. In der jüngeren Vergangenheit war der Hersteller vor allem im Einsteiger-Preissegment vertreten, doch nun bläst man mit zwei neuen Premium-Modellen zum Angriff auf die Oberklasse. Das 8×42 Pro und 10×42 Pro wurden erst vor wenigen Wochen vorgestellt und sind ab sofort erhältlich. Beide Geräte kosten jeweils 499 Euro und treten damit in einem spannenden Preissegment an, das von Traditionsfirmen wie Zeiss (mit dem Terra ED) und Steiner (mit dem SkyHawk 4.0) dominiert wird. IMTEST sicherte sich ein Exemplar des Rollei 10×42 Pro – die Zahl „10“ steht dabei für zehnfache Vergrößerung – und hat das Glas auf Herz und Nieren getestet.

Ein Mann steht in der Natur und schaut mit dem Fernglas nach rechts.
Outdoor-Test im echten Norden: Das Rollei 10×42 Pro durfte mit an die Nordseeküste. Am sogenannten Odinsloch im Meldorfer Speicherkoog ging IMTEST auf die Pirsch. © IMTEST

Handhabung, Ergonomie, Ausstattung

Understatement geht anders: Die griffigen, wuchtigen Fernglas-Tuben mit der harten Gummi-Armierung wirken schon beim ersten Anfassen hochwertig und vermitteln dem Benutzer ein Gefühl von „mit diesem Outdoor-Begleiter kann draußen nichts schief gehen“. Die ungewöhnlichen, tiefen Fingermulden an der Unterseite bieten guten Halt für die Daumen, das Glas liegt schwer, aber gut in den Händen. Das Gerät kommt im Doppelsteg-Format daher, hat also vorn eine zweite kleine Brücke. Das Knicken fühlt sich wertig an, erfordert aber etwas viel Kraft.



Ungewöhnlich platziert ist der leichtgängige Einstellregler für den Dioptrien-Ausgleich, der sitzt nämlich direkt hinter dem Mitteltrieb, dem Einstellrad für die Scharfstellung des Bildes. Am Anfang kann es deshalb schon mal passieren, dass man da versehentlich drankommt, schnell hat man den Dreh aber raus. Der Mitteltrieb selbst ist ebenfalls leichtgängig, aber auch angenehm genau und nie zu locker. Ähnlich viel Lob gibt es für die Augenmuscheln: Die kommen mit vier kernigen Einstellstufen daher und vermitteln trotz der geringen Größe ein gutes Gefühl. Ein bisschen anfällig gegen Sonnenlicht von der Seite sind sie jedoch.

Die Augenmuscheln-Kappen sind weich und passgenau, dafür gibt es Abzüge für die Objektivschutz-Deckel. Die sind lose und leider nicht mit einem Gummi-Ring am Fernglas befestigt. Durchdacht und hochwertig wiederum ist der Nackengurt: Hier gibt es einen zusätzlichen Verschluss auf jeder Seite und der Gurt liegt breit und bequem an. Die geräumige Hartschalen-Tasche könnte zwar etwas Polsterung vertragen, dafür liegt auch dafür ein kleiner Gurt bei. Und ein Mikrofasertuch sowie eine Anleitung in deutscher Sprache (und auf Papier) gibt’s auch noch.

Ein Fernglas in der Nahaufnahme, von unten fotografiert.
Gute Griffmulden: Hier finden die Daumen an der Unterseite des Fernglases sicheren Halt. © IMTEST

Der volle Durchblick?

Bei einer 10-fachen Vergrößerung geht das Sehfeld von 116m voll in Ordnung, die Naheinstellgrenze von 3m ist aber nicht ganz optimal. So kann eine Eidechse oder Blume am Wegesrand schon mal einen Schritt zurück erfordern, bevor man das Bild scharfstellen kann. Der Pupillen-Abstand liegt mit 56 bis 76 mm im Standardbereich und bereitete mehreren Testern (mit unterschiedlichen großen Köpfen) keine Probleme. Selbst strömenden Regen kann das Rollei 10×42 Pro natürlich problemlos ab – das ist in dieser Preisklasse aber auch selbstverständlich.



Damit zum wichtigsten Punkt bei einem Fernglas-Test, der Bewertung der optischen Qualitäten. Das Rollei 10×42 Pro macht auch hier einen richtig guten Job. Im Nahbereich ist das Bild extrem scharf – egal ob im Feldtest beim Fokussieren auf eine Stockente am Ufersaum oder auf dem Prüfstand in der FOTOTEST-Redaktion, wo die Messungen vorgenommen werden. Die Schärfe in den Randbereichen der Linse ist nicht ganz optimal, aber immer noch sehr hoch. Abzüge gibt es für die nur noch hohe Schärfe im kritischen Fernbereich (bei großen Distanzen und schwierigen Lichtverhältnissen), die sichtbaren Farbsäume (bei z. B. sehr hellen Bildobjekten wie einem Schwan auf dunklem Wasser) sowie die minimale Kissenverzeichnung. Die Farbwiedergabe des Rollei ist dabei natürlich, mit einer kleinen Tendenz zu warmen Farben. Die Helligkeit ist dabei jederzeit gut, allerdings ist hier ein Unterschied den Konkurrenten von Zeiss oder Leica zu erkennen (die aber auch mehr als 1.000 Euro kosten).

Ein Fernglas in der Nahaufnahme.
Das Einstellrad für den Dioptrien-Ausgleich sitzt über dem Mitteltrieb. Das ist gewöhnungsbedürftig. © IMTEST

Fazit

Vom Stand aufs Siegertreppchen: Das Rollei 10×42 Pro leistet sich keine nennenswerten Schwächen und kommt trotz eines Preisschildes von „nur“ 500 Euro erstaunlich nah an die erheblichen teureren Modelle von Zeiss, Nikon oder Kite heran. Egal ob Haptik, Augenmuscheln oder Ausstattung, hier müssen auch Vogelbeobachtungs-Enthusiasten kaum Kompromisse eingehen – das Fernglas sieht nicht nur gut und robust aus, sondern verkauft sich auch im Test so. Die optischen Qualitäten sind durch die Bank gut bis sehr gut, das Bild ist nicht nur scharf, sondern überzeugt auch bei Farbtreue und allen anderen Aspekten der optischen Abbildung. Ja, es gibt hier noch Luft nach oben – wie 2.500-Euro-Modelle von Zeiss oder Swarovski beweisen –, wer aber nicht gleich das ganz große Geld für ein Fernglas ausgeben will, der bekommt mit dem Rollei ein wirklich gutes Gerät, das auch noch mit zehn Jahren Garantie daherkommt.

  • PRO
    • Robuster, wertiger Korpus, sehr gute Optik, angenehme Augenmuscheln, griffige Mulden für die Daumen, 10 Jahre Garantie
  • KONTRA
    • In der Ferne nicht perfekte Schärfe, Objektivschutz-Deckel nicht befestigt, Naheinstellgrenze bei 3m

IMTEST Ergebnis:

gut 1,9

Portrait Matthias Schmid

Matthias Schmid wollte im Berufsleben "irgendwas mit Video- und Computerspielen" machen – deshalb studierte er nach dem Abitur Informatik, um selbst Spiele zu entwickeln. Nach dem Studium kam die 180-Grad-Wende: Matthias wechselte in die schreibende Zunft, absolvierte ein Volontariat bei einer renommierten Spiele-Fachzeitschrift und wurde 2004 Videospiel-Redakteur in Vollzeit. Damit lebt er seit nunmehr 19 Jahren seinen beruflichen Traum: Spiele testen und darüber schreiben. Diese Jobbeschreibung greift freilich zu kurz: Matthias hat Spiele-Magazine und -Webseiten mitkonzipiert, Fachmessen in aller Welt besucht und Entwicklern bei der Arbeit über die Schulter geschaut. Er hat ebenso großen Spaß mit Action-Blockbustern wie mit kleinen Indie-Spielen und liebt es nachzuforschen, wer die Macher hinter den Spielen sind. Neben Video- und Computerspielen faszinieren ihn aktuelle Top-Smartphones und – als begeisterter Vogelbeobachter – alles, was mit Ferngläsern zu tun hat.