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Swarovski AX Visio im Test: Smartes Fernglas für 4.600 Euro

Das Edel-Fernglas mit KI-Funktionen im großen Praxistest.

Fernglas von Swarovski auf einem Baumstamm.
© IMTEST

Im Januar hatte der österreichische Traditionshersteller Swarovski Optik auf der CES in Las Vegas sein erstes smartes Fernglas vorgestellt. Das schießt nicht nur Fotos, sondern will Vögel auf Knopfdruck erkennen. Am Fernglas baumelt ein krasses Preisschild: 4.600 Euro kostet das AX Visio, seit Anfang Februar ist es offiziell erhältlich. Wer im Web-Shop des Herstellers zuschlagen möchte, kann aktuell nur auf „Benachrichtigen Sie mich“ klicken. Wie IMTEST von Swarovski erfuhr, ist das begehrte Fernglas zwar immer wieder kurzzeitig verfügbar, aktuell kann die Firma die hohe Nachfrage aber nicht vollständig bedienen.



IMTEST sicherte sich eines der wenigen Testgeräte und hat das Gerät fast zwei Wochen lang intensiv getestet. Im heimischen Garten und im Stadtpark ebenso wie an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste. Bei Wind und Wetter war das Fernglas im Außeneinsatz, zudem wurden die optischen Qualitäten am Labor-Prüfstand der Kollegen von FOTOTEST untersucht. Noch mehr Infos darüber, wie akribisch IMTEST Ferngläser testet, finden Sie hier.

Smartes Fernglas mit KI – was kann das AX Visio?

Bevor IMTEST ausführlich auf die Qualität der Optik, auf Handhabung, Ausstattung und das Funktionieren der smarten Features eingeht, hier ein Überblick, was das AX Visio bietet. Das AX Visio ist ein Fernglas der Kategorie „10×32“, es holt Objekte also mit 10-facher Vergrößerung heran und hat einen Objektiv-Durchmesser von 32mm. Letztere Zahl gibt an, wie viel Licht ins Fernglas kommt. Viele Vogelbeobachter schwören auf Gläser mit 42mm, doch auch rund 30mm sind ausreichend für ein helles Bild. In puncto Optik und Vergrößerung ist das AX Visio vergleichbar mit dem Swarovski NL Pure 10×32, das eine UVP von 2.800 Euro hat.

Der Clou beim AX Visio sind die smarten Funktionen: In der Mitte oberhalb der beiden Fernglas-Tuben ist eine 13-MP-Kamera verbaut, zudem sitzt ein Akku in der linken Seite des Geräts. Schaltet man das Fernglas an, erhält der Nutzer Zugriff auf mehrere Funktionen; Auswahl und Steuerung laufen über ein Drehrad und drei Buttons auf der rechten Seite.

Das AX Visio kann auf Knopfdruck über 9.000 Vogelarten und mehr als 300 Säugetier-Arten erkennen. Zudem kann man damit Fotos schießen und Videos aufnehmen. Via App-Verbindung kann man die Sicht durchs Fernglas auch auf ein Smartphone in der Nähe übertragen. Schließlich hat Swarovski noch einen digitalen Kompass und ein Feature eingebaut, das es erlaubt, einen erblickten Vogel zu markieren, so dass man das Fernglas weitergeben kann und der nächste Beobachter mit Pfeilen angezeigt bekommt, wo der Piepmatz sitzt.

Das Fernglas Swarovski AX Visio, auf Steinen liegend.
Die smarten Funktionen wie Vogelerkennung, Foto-Modus & Co. wählt man per mittig sitzendem Drehrad an. © IMTEST

All das funktioniert über leuchtend rote Anzeigen und Schriften, die dem Benutzer ins Fernglas-Bild (des rechten Auges) „eingespeist“ werden. Natürlich sind diese Funktionen für Birdwatching-Fans unheimlich spannend. Denn normalerweise muss man Bestimmungsbücher mit sich führen und am besten noch eine Kamera mit Teleobjektiv, möchte man seine Entdeckungen auch bildlich festhalten.

Swarovski AX Visio: Die optische Qualität

Vor kurzem hat IMTEST fünf Premium-Ferngläser um die 1.200 Euro getestet. Geht es allein um die optischen Eigenschaften, dann schlägt das AX Visio all diese Konkurrenten, selbst den Testsieger von Zeiss. Nur die Naheinstellgrenze von 3m stellt einen kleinen Ausreißer dar, ansonsten überall eitel Sonnenschein: Die Bildschärfe ist bei nahen wie bei weiten Objekten extrem hoch, selbiges gilt beim Blick durchs Fernglas am Prüfstand unter Neonlicht. Eine optische Verzeichnung konnte IMTEST erfreulicherweise nicht feststellen, auch die Farbwiedergabe ist top – das AX Visio bildet das Gesehene in sehr natürlichen Farben ab. Farbsäume sind fast nicht vorhanden und auch in den Randbereichen ist die Schärfe noch sehr hoch.

Das Fernglas Swarovski AX Visio an der Ostsee, in der linken Hand gehalten.
Egal ob im Park, beim Wandern oder – wie hier – an der Ostseeküste. Die fantastische Optik des AX Visio lässt einen nie im Stich. © IMTEST

Lediglich bei schnellen Schwenks kann das AX Visio nicht mit dem ruhigen Bild eines Zeiss Victory SF mithalten. Die Bildhelligkeit des 32mm-Fernglases ist in den meisten Beobachtungssituationen kein Problem. Werden die Lichtverhältnisse schlechter, vermisst man – wenig überraschend – das Mehr an Helligkeit, das Gläser jenseits der 40mm Objektiv-Durchmesser bieten. Wem all das zu technisch klingt, dem sei gesagt: Der Blick durch das AX Visio ist berauschend – das Bild ist perfekt scharf und extrem hoch aufgelöst.

Eine kleine Anmerkung am Rande: Einsteiger könnten von der Kombi aus Fernglas-Bild und den auf dem rechten Auge eingeblendeten Anzeigen überfordert sein – das Bild bleibt zwar knackscharf, im Eifer des Gefechts können die Icons und Schriften aber ablenken.

Das Fernglas Swarovski AX Visio in den Händen gehalten.
Das Auswahl-Rad steht auf “Vogel”, dann kann das KI-unterstütze Bestimmen auf Knopfdruck losgehen. Hier ist das AX Visio in zierlichen Frauenhänden zu sehen – das Fernglas ist ziemlich groß und wuchtig. © IMTEST

Wie gut funktioniert die Vogel- und Säugetier-Erkennung beim AX Visio?

Nach dem Einschalten per gut erreichbarem Knopf muss man circa 30 Sekunden warten, dann stehen die smarten Funktionen zur Verfügung. Wählt man das Vogel-Icon auf dem zentralen Drehrad, dann befindet man sich im Erkennungsmodus. Auf Knopfdruck kann man nun die Piepmätze im eingeblendeten Zielkreis vom Fernglas erkennen lassen. Das Feature braucht keine Internet-Anbindung, die komplette Software und Technik dafür ist ins Fernglas integriert. In der Praxis schießt die im Mittelteil verbaute Kamera auf Knopfdruck ein Foto, das wird dann mit der Datenbank abgeglichen und innerhalb von ein, zwei Sekunden als Einblendung im Fernglas angezeigt.

Eine Zimmerpflanze vor weißer Wand, davor ein paar Einblendungen.
Diese Einblendung sieht man, wenn man den Vogelbestimmungsmodus angewählt hat. Tiere im kleinen Kreis in der Mitte werden dann (hoffentlich) erkannt. © IMTEST

Das klingt wie Zukunftsmusik und wäre sehr beeindruckend. Wenn es funktionierte. Leider hat sich im ausführlichen Praxistest herausgestellt, dass das AX Visio hier noch viele Fehler macht. Regelmäßig wird auch bei Vögeln, die beim Blick durchs Fernglas gut erkennbar sind, „kein Ergebnis“ angezeigt. Beim dritten oder vierten Versuch klappt es dann plötzlich. Zudem spuckt das Fernglas reichlich falsche Ergebnisse aus: Eine Blaumeise wird für einen Birkenzeisig gehalten, eine Lachmöwe für ein Thorshühnchen, eine Stockente für eine Brandgans. Das mag Vogel-Unkundigen wenig sagen, diese Bestimmungen sind aber schlicht Unfug.

Eine Frau mit schwarzer Winterkleidung, die das Fernglas Swarovski AX Visio in der Hand hat.
IMTEST empfiehlt die Benutzung ohne Handschuhe, wenn es die Witterung zulässt – dann lassen sich die Buttons besser bedienen. © IMTEST


Wo das AX Visio Probleme hat

Nach Stunden in der Natur formt sich ein Bild: Vögel mit eindeutigen Farben oder sehr typischen Formen (Eisvogel, Rotkehlchen, Kormoran im Flug) werden häufig richtig erkannt. Andererseits sind schlechte Lichtverhältnisse schlecht fürs Bestimmen. An einem trüben Februarnachmittag hat das AX Visio schon um 15 Uhr massive Probleme, einen braunen Zaunkönig auf brauner Baumrinde zu erkennen. Außerdem fällt auf: Während man als Betrachter mit etwas Übung mühelos auf Vögel hinter dünnen Ästen fokussieren kann, hat die Kamera noch große Probleme damit.

  • Foto mit Bäumen und Zaun, in der Bildmitte sitzt ein Eisvogel.
  • Unscharfes Foto von fliegenden Gänsen.

Natürlich spielt auch das Motiv eine entscheidende Rolle: Singvögel, die kaum eine Sekunde stillsitzen, sind deutlich schwerer zu bestimmen als Stockenten und Gänse. Dies gilt aber auch bei der Vogelbeobachtung ohne smartes Fernglas. Zudem konnte IMTEST das AX Visio aus saisonalen Gründen kaum bei strahlendem Sonnenschein testen. Mit besserer Ausleuchtung und mehr Helligkeit könnten die Ergebnisse also durchaus brauchbarer ausfallen.

Weil das smarte Fernglas bei jeder versuchten Erkennung ein Bild schießt, wird beim Blick in die Galerie klar, warum ein durchs Fernglas klar erkennbarer männlicher Gimpel – ein Vogel mit leuchtend roter Brust – von der Software nicht erkannt wurde. Die Kamera hatte schlicht auf die dürren Äste im Vordergrund fokussiert. Eine bessere Note als „ausreichend“ kann IMTEST für die Vogel-Erkennung momentan nicht vergeben. Ein praktischer Nutzen ist fast nicht vorhanden, vielmehr freuen sich Hobby-Ornithologen über die Möglichkeit, Schnappschüsse zu machen und darüber, wenn das AX Visio richtig liegt, wenn Teichhuhn, Kanadagans und Ringeltaube mal korrekt erkannt werden.

  • Unscharfes Foto eines orangen Singvogels, durch Äste hindurch fotografiert.
  • Foto von unscharfen Wasservögeln, hinter Ästen.

Das sagt der Hersteller dazu

IMTEST hat direkt mit Swarovski über den Zustand der Vogel- und Tiererkennung gesprochen und war erfreut über die Offenheit des Herstellers. Man ist sich bewusst, dass das aktuell eine Art Work-in-Progress-Feature darstellt. Swarovski weiß um die Probleme bei Ästen im Vordergrund, baut zudem auf die Verbesserung der Erkennung, wenn die Software von vielen Nutzerdaten lernen kann. Und gibt zu, dass das AX Visio derzeit vor allem Einsteiger und etwas fortgeschrittene Vogelbeobachter glücklich machen soll. Weil es eine Hilfestellung gibt und so als Erweiterung zum klassischen Bestimmungsbuch gesehen werden kann. Ob diese Gruppe bereit ist, über 4.000 Euro für ein smartes Fernglas auszugeben, steht auf einem anderen Blatt…

Spannend ist auch die GPS-Funktionalität: Damit die Bildsoftware nicht jedes Foto mit tausenden Vogelarten aus aller Welt abgleichen muss, sorgt ein vom GPS-Signal abhängiger Filter dafür, dass geräteintern schon eine Vorauswahl getroffen wird, die zum jeweiligen Standort passt. Ein Andenkondor oder Kaiserpinguin kann im Wattenmeer bei St. Peter Ording bekanntlich ausgeschlossen werden…

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Ein ähnliches Kurz-Fazit verdient aktuell die Säugetier-Erkennung – beim Testen sprangen IMTEST ehrlicherweise auch weniger davon vor die Linse als es Vögel taten. Auch hier gab es korrekte Bestimmungen und offensichtliche Fehler. Eine Kuh wurde fälschlicherweise als Wildpferd erkannt, auch die graue Hauskatze des Testers war beleidigt, weil sie als „Hausmaus“ auf dem Display auftauchte.

Die Swarovski-App im Check

Die offizielle App von Swarovski (SO Outdoor) fragt sofort nach dem Öffnen, ob der Nutzer oder die Nutzerin ein AX Visio besitzt. Im Nu ist das Gerät erkannt und verbunden. Ein gutes Tutorial führt zügig durch die verschiedenen Features. Die Übertragung von geknipsten Bildern vom Fernglas aufs Handy dauert zwar recht lang (circa 10 Minuten für 100 Fotos), funktioniert unterm Strich aber gut. In der Galerie wird aber nicht angezeigt, welcher Vogel von der Software erkannt wurde; immerhin kann man das händisch nachtragen oder andere Notizen hinzufügen. Außerdem darf man in der App weitere Bestimmungsfunktionen aufs Fernglas laden (aktuell: Schmetterlinge, Libellen) und Einstellungen vornehmen, z. B. wie hell die Schrifteinblendung im Bild ist oder wie schnell das AX Visio in den Stand-by geht. Sogar Systemsoftware-Updates werden hier durchgeführt, auch dies hat im Test problemlos funktioniert.

2 Screenshots aus der Companion-App Swarovski Outdoor, zu sehen sind ein Tutorial und eine Fotogalerie mit Enten.
Nach dem ersten Start und dem Verbinden mit dem AX Visio startet das Tutorial (links), geknipste Fotos überträgt man in die Galerie der App (rechts). © Swarovksi / IMTEST

Hobby-Ornithologen laden sich eine zweite App aufs Smartphone, die Merlin Bird ID. Die basiert auf einer anerkannten Vogeldatenbank und arbeitet mit dem Swarovski AX Visio zusammen. Die Merlin-App erkennt das Fernglas ebenfalls und verbindet sich damit. Geschossene Bilder kann man in dieser App dann nochmal einem Vogelarten-Check unterziehen. Und sich dort sogar auf einen kleineren Bildausschnitt fokussieren. Ein Fasan, den das AX Visio im Feld nicht erkannt hat, konnte so korrekt bestimmt werden. An anderer Stelle wurde aus einer nicht erkannten, unscharfen Kohlmeise eine Krickente. Eine Software-Fehleinschätzung, die jedem Vogelfreund die Haare zu Berge stehen lässt.

2 Screenshots aus der Vogelbeobachtungs-App Merlin Bird ID. Zu sehen sind eine Foto-Liste und das Porträt einer Graugans.
In der App Merlin Bird ID findet man die Liste mit den erkannten Vögeln, und auch die Bilder, bei denen nicht erfolgreich bestimmt werden konnte (links). Vogel-Fans freuen sich über die vielen Artenprofile, die leider nicht alle auf deutsch vorliegen (rechts). © Cornell Lab / IMTEST

Beobachtungen teilen und Fotos knipsen

Wer regelmäßig mit anderen Birdwatchern unterwegs ist, kennt folgendes Problem: Jemand entdeckt einen Vogel und möchte den anderen beschreiben, wo der sitzt. Ein schwieriges Unterfangen. Deswegen hat das AX Visio eine Zeige-Funktion. Dreht man das Modus-Rad auf das Pfeil-Symbol, kann man beim Blick durchs Fernglas einen Punkt in der Natur markieren. Gibt man das AX Visio dann zu Nebenmann oder Nebenfrau, weisen rot leuchtende Pfeile auf den Sichtungsort hin. Das hat in der Praxis sehr gut funktioniert, ein tolles Feature.

Das Fernglas Swarovski AX Visio von oben, auf Steinen liegend.
Das Design des AX Visio stammt vom renommierten Industriedesigner Mark Newson. In der schwarzen Röhre in der Mitte sitzt die Kamera. © IMTEST

Schön ist auch die Möglichkeit, die Sicht des Fernglas-Nutzers aufs Smartphone zu übertragen. Wer sich per App mit dem AX Visio verbindet, sieht auf dem Handy das, was das Fernglas einfängt. Gerade beim Waldspaziergang mit Kindern oder in der Natur-Bildung ist diese Funktion sehr praktisch.



Die Schnappschüsse der 13-MP-Kamera gehen grundsätzlich in Ordnung. Gerade bei guten Lichtverhältnissen können schöne Bilder entstehen, z. B. von Entenvögeln, die generell dankbare Motive sind. Manches Mal ist man trotzdem enttäuscht, dass ein kleiner Singvogel auch auf dem Foto sehr klein wirkt – wo er beim Blick durch die perfekte Fernglas-Optik größer und strahlender wirkte. Die Schärfe der Bilder kann sich mit Smartphone-Kameras im unteren Mittelfeld messen, sie neigt aber zu Bildrauschen. 1080p-Videos sind mit dem AX Visio ebenfalls möglich, die Bildqualität überrascht hier positiv; allerdings sind viele Aufnahmen verwackelt, da kein Bildstabilisator verbaut ist.

Foto von einer Stockente auf dem Wasser.
Stockenten sind einfache Fotomotive – dieses Bild hat IMTEST mit dem AX Visio geschossen. © IMTEST

Akkulaufzeit, Speicherplatz, Software & Co.

Mit einem vollen Akku – einer liegt bei, Ersatz-Akkus kosten 70 Euro – hält das AX Visio einen vollen Birdwatching-Tag durch. Nach rund drei Stunden im Park, mit über 100 Bestimmungsversuchen und vielem Umschalten zwischen den Modi, war der Ladestand noch bei gut 50 Prozent. Zudem schalten die smarten Funktionen nach kurzer Zeit in den Schlummer-Modus, sind aber nach einem Tastendruck sofort wieder verfügbar. Wer ohne Smart-Features einfach nur die Natur bewundern möchte, kann das Fernglas auch ausgeschaltet lassen – durchschauen kann man immer.

Das Fernglas Swarovski AX Visio in der Nahaufnahme, man sieht den Auslöseknopf.
Die drei Buttons zum Bedienen der smarten Funktionen sind an der rechten Oberseite. Ist das Gerät im Stromsparmodus, genügt ein Druck auf den On-Knopf und es ist sofort bereit. © IMTEST

Das beiliegende Ladegerät punktet mit Akkustand-Anzeige (auch ohne Stromanschluss), lädt aber langsam. In 3,5 Stunden ist der Akku bei 90%, nach 5 Stunden ganz voll. Das liegt auch daran, dass ein altmodischer Micro-USB-Anschluss zum Einsatz kommt. Sehr hochwertig ist dagegen die Akku-Klappe, die auf der linken Fernglas-Unterseite sitzt. Das AX Visio ist staub- und wasserdicht (Schutzklasse IP67) und kann trotz der Elektronik bei strömendem Regen mit nach draußen.

Gut 30 GB internen Speicher besitzt das Fernglas, rund 11 davon belegt die Systemsoftware. Bleibt also viel Platz für Fotos mit je 4-6 MB Größe und Filme im MP4-Format in 1080p-Auflösung (circa. 20 MB für 10 Sekunden). Die rot eingeblendeten, smarten Anzeigen sind gut lesbar und funktional, ein paar Optimierungen (z. B. das visuelle Feedback, wenn man ein Foto schießt) wären aber noch drin. Die Kamera-Einstellungen in der Swarovski-App (Helligkeit, Kontrast, Sättigung, Bildschärfe, etc.) sind lobenswert, könnten jedoch ruhig durch Beispiele verdeutlicht werden.

Bedienung und Haptik beim AX Visio

Die gut 1.150 Gramm, die das AX Visio wiegt, fallen beim Beobachtungen durchaus negativ auf – in Verbindung mit dem sehr weichen Nackengurt und der gewohnt-klugen Gurt-Aufhängung von Swarovski ist das trotz allem kein gewichtiger Nachteil. Problematischer als das Gewicht ist der Formfaktor: Obwohl sich die beiden oval geformten Fernglas-Tuben gut in die Handöffnungen zwischen Daumen und Zeigefinger einfügen, lässt sich nicht wegdiskutieren, dass man hier einen ziemlich unhandlichen Klopper in Händen hält. Überhaupt kein Vergleich zum üblichen Handgefühl von Marken-Ferngläsern mit 32mm Objektiv-Durchmesser. Hochwertig fühlt sich das AX Visio trotzdem an, es ist aber schlicht viel klobiger als andere Ferngläser.

  • Das Fernglas Swarovski AX Visio, auf einer Hand gehalten.
  • Das Fernglas Swarovski AX Visio in der Nahaufnahme, man sieht die Dioptrieneinstellungsringe.
  • Das Fernglas Swarovski AX Visio in der Nahaufnahme, man sieht die Augenmuscheln im Detail.

Der Mitteltrieb zum Scharfstellen der Optik ist aus Metall, er dreht sich angenehm leicht. Nicht ganz perfekt ist derweil das Knicken des Fernglases selbst, das geriet einen Tick zu schwergängig. Die Gummiarmierung im typischen Swarovski-Grün ist griffig und kann was ab. Die Augenmuscheln sind sehr hochwertig verarbeitet und lassen sich in vielen Schritten herausdrehen. Lobenswert ist auch die Dioptrienkorrektur, die man unterhalb von beiden Okularen separat für jedes Auge vornehmen kann. Recht zufrieden ist IMTEST mit den drei Tasten für die smarten Funktionen, sie sitzen auf der rechten Seite. Bei der Benutzung mit Handschuhen im Winter fehlt aber das nötige Feingefühl. Das Modus-Auswahlrad ist sehr hochwertig.



Ausstattung, Verpackung & Garantie

Das AX Visio kommt in einer stattlichen Box zum Kunden, erfreulicherweise sind alle Karton-Inhalte aus Papier. Man öffnet eine Reihe von kleinen weißen Boxen, freut sich über die mehrsprachige, ordentliche Anleitung – das ansprechende Auspackerlebnis passt zum Preisschild. Im Gegensatz zu seinen anderen Ferngläsern gibt Swarovski keine zehn Jahre Garantie, sondern nur drei. Dies ist wohl den elektronischen Komponenten geschuldet.

Ein Blick aus Ego-Sicht, ein Mann mit gelber Outdoorjacke sieht an sich herab, vor der Brust hängt ein Fernglas.
Hochwertig und praktisch: Das AX Visio baumelt an einem breiten, weichen Gurt um den Hals. Die mitgelieferte Tasche trägt man quer über den Körper. Und man kann während des Birdwatching ein Notiz- oder Bestimmungsbuch dort verstauen. © IMTEST

Der Hersteller verspricht aber nicht nur eine offene Schnittstelle für künftige Apps von Fremdherstellern und jahrelange Software-Updates, sondern ist auch beim Thema Reparatur gut aufgestellt. Auf Nachfrage erklärte Swarovski gegenüber IMTEST: „Teile wie Drehaugenmuscheln, Batteriedeckel etc. sind als Ersatzteile erhältlich, 13 verschiedene Bauteile listet der Ersatzteil-Katalog. Reparaturen werden bei uns in Absam durchgeführt. Im Falle empfehlen wir den Kunden unseren Customerservice zu kontaktieren, die dann beraten und entscheiden, was bei welchem Defekt zu tun ist.“

In den hübschen kleinen Schachteln stecken ein Ladegerät für den Akku, ein Mikrofasertuch, ein Taschengurt sowie ein Reinigungsset für die Fernglas-Oberfläche (Bürste, Seife). Außerdem ist eine sehr wertige, gut gepolsterte Tasche im Lieferumfang enthalten, in die das wuchtige Fernglas gut hineinpasst. Ein Stativgewinde zum Befestigen auf einem Stativ besitzt das AX Visio leider nicht, wertige (aber etwas unflexible) Augenmuschel-Kappen und Objektiv-Schutzdeckel (leider ohne Halterung) liegen bei.

Lieferumfang des Swarovski AX Visio im Überblick.
Fernglas, Schutzdeckel, Tasche, Gurte, Ladestation und Kabel stecken im Karton. Ebenfalls im Lieferumfang enthalten, aber nicht im Bild. Eine dicke Anleitung auf Papier und ein Reinigungsset mit Seife und Bürste. © Swarovski

Fazit

Als Fernglas ist das neue Swarovski AX Visio eine Wucht. Hat man sich an den ungewöhnlichen Formfaktor gewöhnt, werden Naturbeobachtung im Allgemeinen und Birdwatching im Speziellen zum Vergnügen. Die Optik ist brillant, die Verarbeitung sehr gut; auch in puncto Handhabung und Ausstattung gibt es keine echten Ausreißer nach unten. IMTEST ist auch zufrieden mit der Akku-Laufzeit und freut sich über Gimmicks wie Kompass und Zeige-Funktion. Die mitgelieferte Tasche ist top, die passende App auf dem Smartphone schnell verstanden und funktional.

Für die wichtigste Smart-Funktion, das Erkennen von Vögeln, gibt es allerdings (noch) keine gute Note. Der aktuelle Zustand ist mehr ein spannender Entwurf, ein mutiger Blick in die Zukunft – aber sicher kein vollwertiges Bestimmungstool. Dazu funktioniert die Erkennung viel zu unzuverlässig und liefert zu viele falsche Ergebnisse. Das Zusammenspiel von Fernglas, Swarovski-App und der Vogel-App Merlin Bird ID wiederum ist lobenswert – die per AX Visio geschossenen Vogelfotos sind zwar nur mittelprächtig, automatisch eine digitale Liste mit allen Beobachtungen zu erhalten, ist aber ein toller Bonus.

  • PRO
    • Überragende Optik, sehr gute Verarbeitung, einfallsreiche Zusatz-Features, gute Akku-Laufzeit, durchdachte App-Anbindung.
  • KONTRA
    • Unhandlich und schwer, Vogelerkennung funktioniert noch nicht gut.

IMTEST Ergebnis:

gut 1,8

Portrait Matthias Schmid

Matthias Schmid wollte im Berufsleben "irgendwas mit Video- und Computerspielen" machen – deshalb studierte er nach dem Abitur Informatik, um selbst Spiele zu entwickeln. Nach dem Studium kam die 180-Grad-Wende: Matthias wechselte in die schreibende Zunft, absolvierte ein Volontariat bei einer renommierten Spiele-Fachzeitschrift und wurde 2004 Videospiel-Redakteur in Vollzeit. Damit lebt er seit nunmehr 19 Jahren seinen beruflichen Traum: Spiele testen und darüber schreiben. Diese Jobbeschreibung greift freilich zu kurz: Matthias hat Spiele-Magazine und -Webseiten mitkonzipiert, Fachmessen in aller Welt besucht und Entwicklern bei der Arbeit über die Schulter geschaut. Er hat ebenso großen Spaß mit Action-Blockbustern wie mit kleinen Indie-Spielen und liebt es nachzuforschen, wer die Macher hinter den Spielen sind. Neben Video- und Computerspielen faszinieren ihn aktuelle Top-Smartphones und – als begeisterter Vogelbeobachter – alles, was mit Ferngläsern zu tun hat.