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Pioneers of Pagonia im Vorab-Test: Neue Hoffnung für Siedler-Fans

So spielt sich die neue Aufbau-Strategie von Volker Wertich.

Artwork von Pioneers of Pagonia
© IMTEST / Envision

Pioneer of Pagonia ist die große Hoffnung für Fans klassischer Aufbau-Spiele. Kein Wunder, immerhin ist “Die Siedler”-Erfinder Volker Wertich der Creative Director hinter dem Aufbau-Titel von Envision Entertainment. Schon auf der Gamescom 2023 konnte IMTEST einen ersten Blick auf das Spiel werfen, der vielversprechenden Aufbau-Spaß versprach. Jetzt erscheint Pioneers of Pagonia im Early Access auf Steam. Die ersten Stunden zeigen bereits: Hier schlägt das wahre Siedler-Herz.

  • PC (Steam)
  • > 30 Stunden
  • Ab 12 Jahre
  • 5 GB
  • Aufbau-Strategie

Pioneers of Pagonia: Knuffiger Aufbau alter Schule

Im Kern ist Pioneers of Pagonia dabei ein Aufbautitel alter Schule. Aus der isometrischen Draufsicht muss der Spieler Wege und Gebäude platzieren, sein Gebiet erweitern, Kämpfe bestreiten und Handel mit seinen Nachbarn betreiben. Größtes Augenmerk legt Pioneers of Pagonia dabei auf die Wirtschaft, die natürlich von Grund auf errichtet werden muss. Dabei bietet schon die Early-Access-Version unheimlich viel Tiefgang. So werden nicht nur über 70 Rohstoffe und Waren abgebaut, produziert und getauscht, sondern auch 46 Gebäude errichtet, um die Warenketten am Laufen zu halten. Gespielt wird dabei überwiegend auf zufallsgenerierten Karten. Eine Story-Kampagne ist noch nicht vorhanden.

Screenshot aus dem Spiel Pioneers of Pagonia.
Ganz schön was los: Der Wuselfaktor bei Pioneers of Pagonia ist hoch! © IMTEST / Envision

Wie für diese Art Spiel üblich beginnt dabei alles beim Holzfäller und Sägewerk. Schon hier wird deutlich, mit wie viel Auge fürs Detail Volker Wertich seine Aufbauspiele entwirft. So geht der Arbeiter nicht einfach in den Wald um Bäume zu schlagen, die sich für beliebige Bauten und Bretter eignen. Stattdessen macht Pioneers of Pagonia einen Unterschied zwischen Nadel-, Laub- und Feuerholz. Nadelstämme können dabei in Nadelholz-Balken geschnitten werden, die das Grundgerüst für die meisten Gebäude darstellen.

Bretter aus Holz von Laubbäumen werden hingegen für die Produktion von Werkzeugen und Waffen benötigt, während Feuerholz in den Öfen von Eisenschmelze oder Gasthaus verbrannt wird. Und das gilt für fast alle Rohstoff-Ketten. Es gibt zumeist mehrere Abbau- und Verwendungsmöglichkeiten, was der Aufbau-Strategie auf Anhieb Tiefe verleiht. Der Spieler hat nämlich jederzeit die Entscheidungshoheit, welches Gebäude welche Ware produzieren soll.

Zugänglich, nicht simpel

Die Aufbau-Strategie ist dabei aber kein überbordendes Komplexitätsmonster. Pioneers of Pagonia wandelt souverän auf dem schmalen Grat zwischen Tiefgang und Zugänglichkeit. Denn: Alles funktioniert auch erstmal ganz hervorragend, ohne dass im Detail Entscheidungen getroffen werden müssen. Die Sägewerke, Steinbrüche und Gemüsefarmen liefern zunächst auch ohne Spieler-Eingriff genug Rohstoffe und Waren, um die Wirtschaft zu beleben. Erst wenn im späteren Verlauf gezielt Soldaten oder Rationen benötigt werden, mehr Einwohner entstehen sollen oder es an Wertgegenständen mangelt, wird es nötig, nachzujustieren.

Screenshot aus dem Spiel Pioneers of Pagonia.
Hübscher Start: Die Dörfchen von Pioneers of Pagonia versprühen viel Aufbau-Charme. © IMTEST / Envision

Dabei kann es allerdings in den ersten Spielstunden durchaus zu Sackgassen kommen. So brauchen alle Bergwerke – darunter die Steinbrüche – Rationen, um zu arbeiten. Da es noch kein echtes Tutorial gibt, wird dies aber nicht erklärt. So kann es auf der Einstiegs-Insel dazu kommen, dass man nach einiger Zeit ohne Steinbrüche, aber auch ohne Nahrungsproduktion dasteht. Die entsprechenden Gebäude – Marktstände, Tavernen, Marktbrunnen und Proviantmacher – brauchen aber überwiegend Stein, um errichtet zu werden. Hat man keinen mehr, gibt es auch kein Futter für die Bergleute.

Das ist allerdings kein spielerisches Problem, immerhin braucht es für eine Wirtschaftssimulation auch einen gewissen Anspruch. Stattdessen müsste Pioneers of Pagonia sich an der einen oder anderen Stelle einfach etwas mehr selbst erklären. So fehlt es zurzeit auch noch an einer Übersicht, welche Ware welchen Rohstoff benötigt. Dies wird zwar angezeigt, wenn man auf die jeweiligen Gebäude klickt, ein genereller Überblick wäre hier aber einfacher. Auch das Lager-System braucht mehr Varianz: Es gibt für den meisten Kram derzeit nur einzelne Mini-Lager, in denen 64 Stück einer einzelnen Ware Platz finden. Hier braucht es dringend größere Lager-Gebäude oder zentrale Ablagestellen. Dies soll aber bereits mit dem ersten Update im Februar 2024 folgen.

Pagonias vielfältige Wirtschaft

Schön ist, dass die Wirtschaft in der Aufbau-Strategie breit aufgestellt ist und nicht ausschließlich dem Zweck der militärischen Massenproduktion dient. So können etwa mehr kleine Pioniere erzeugt werden, indem man Nahrung produziert, die dann in der Taverne in Genießer-Rationen umgewandelt wird. Werden dann Wohnhäuser mit Nahrung beliefert, zeugen die Einwohner zügig Nachkommen. Zudem gibt es viele Werkzeuge und Berufe, sodass Werkzeugmacher, Weberei & Co. aus vielen Quellen beliefert werden müssen.



Gleichzeitig ist Pioneers of Pagonia aber keine pazifistische Utopie. Die Lande von Pagonia werden von Dieben, Banditen und sogar Geistern plus Werwölfen heimgesucht. Entsprechend gibt es Militär, das auch für die Vergrößerung des Territoriums zuständig ist. In mehreren Stufen, von der einfachen Wache bis zum schwer gerüsteten Soldaten, können Truppen ausgehoben, Wachtürme besetzt und Patrouillenrouten bestimmt werden. Dabei wird das Spiel aber zum Glück nicht zur Echtzeit-Strategie, denn der Spieler kontrolliert die Soldaten nicht direkt. Stattdessen laufen die Kämpfer platzierte Wegpunkte ab und attackieren Feinde, die ihnen auf dem Weg begegnen.

Screenshot aus dem Spiel Pioneers of Pagonia.
Gekämpft wird auch. Hier greift ein Bandit an. © Envision Entertainment / IMTEST

Schön ist, dass man die ebenfalls vorhandenen, pagonischen Dörfer nicht bekämpft. Hier muss man stattdessen mit gezieltem Handel und dem Erfüllen von Aufgaben die Gunst der Bevölkerung gewinnen. Nur wenn man als Verbündeter auftritt, kann man die Siedlungen am Ende friedlich übernehmen. Das ist eine schöne Abwechslung und ein durchdachtes Eroberungs-Doppel, welches dem eigenen Militär Relevanz verleiht, die kriegerische Komponente aber nicht so überbetont wie beim mäßigen Die Siedler 8.

Und was ist mit dem Wuselfaktor?

Auch bei der Kulisse strebt Envision zur Wusel-Dichte der alten Klassiker – und darüber hinaus. Volker Wertich selbst verspricht, dass der Spieler über tausende einzelne Einwohner herrschen könne, die auf dem Bildschirm ihrem Tagewerk nachgehen. Und hier tut sich einiges: Holzfäller legen die Axt an, Zimmerer schuften auf der Baustelle und Träger bugsieren die wertvollen Waren über die Straßen der Siedlung. Überall klopft, näht, kocht und hämmert es. So wirkt die eigene Wirtschaft wunderbar lebendig.

Screenshot aus dem Spiel Pioneers of Pagonia.
Wichtiges Türmchen: Die in Wachtürmen stationierten Soldaten erweitern mit Grenzsteinen das eigene Land. © IMTEST / Envision

Zudem gilt bei Pioneers of Pagonia: Was man sieht, ist auch wirklich da. Jede einzelne Ressource, die in der Übersichts-Leiste am oberen Bildschirmrand auftaucht, findet sich auch in irgendeinem Gebäude wieder. Jede Figur, jedes Brett, alles ist wirklich in der Spielwelt. Das ist toll, denn so bekommt man schnell einen Überblick, welche Ressource im Übermaß vorhanden ist und wovon man dringend mehr benötigt. Gleichzeitig wird der strategische Straßenbau wichtig: Wenn jede Ressource händisch von A nach B gebracht werden muss, entstehen auf Hauptverbindungen schnell Staus. Hier ist das Spiel auch noch recht rudimentär: Es gibt derzeit nur eine Straßen-Variante und Tragetiere sind noch nicht vorhanden.

Insgesamt ist die Kulisse dabei recht hübsch, aber nicht atemberaubend. Der Grafikstil besticht vor allem mit seinen knuffigen Formen und Figuren, farbenfrohen Hügeln und herzlichen Häuschen. Wer einen realistischen Look bevorzugt, der eher in Richtung Anno 1800 & Co geht, ist bei Pioneers of Pagonia falsch. Gleichzeitig läuft das Spiel aber gut – schon zum Early-Access-Start gibt es keine größeren, spielzerstörenden Bugs oder Performance-Probleme. Hier könnte sich die Konkurrenz eine Scheibe abschneiden.

Wie geht’s weiter mit Pagonia?

Der Early-Access-Start markiert einen großen Meilenstein in der Entwicklung von Pioneers of Pagonia – fertig ist das Spiel aber wie oben erwähnt noch lange nicht. Eine Roadmap der Entwickler verspricht bereits große Pläne. So soll es in Zukunft Bergwerke und Geologen geben, die den derzeitig nur überirdisch stattfindenden Rohstoffabbau ergänzen sollen. Auch ein Koop- und Wirtschafts-Update sind bereits in Entwicklung.

Early Access Roadmap von Pioneers of Pagonia
Viel versprochen: Noch im Early Access wird es viele neue Inhalte geben. © IMTEST / Envision

Letzteres soll mit größerem Lager, Fischerhütte & Co. sogar bereits im Februar 2024 starten. Gleichzeitig verspricht Envision eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Nutzeroberfläche, Bedienung und Mechaniken. Zudem findet eine fortlaufende Qualitätssicherung statt, um auftauchende Bugs schnellstmöglich zu beseitigen. Diese Entwicklung ist allerdings auch notwendig, denn bei aller Begeisterung für den Aufbau ist das Ende der Waren-Fahnenstange derzeit noch etwas zu schnell erreicht. Hier braucht es gerade im späten Spiel weitere Herausforderungen, um den Spieler dauerhaft an seine Siedlungen zu fesseln. Außerdem fehlt es an konkreten Missionen, die in der jetzigen Fassung nicht vorhanden sind.

Fazit

Ja, fertig ist Pioneers of Pagonia noch lange nicht – aber das muss es ja auch nicht. Der Start in die Early-Access Phase beweist, dass Volker Wertich es immer noch drauf hat. Denn schon im Frühstadium siedelt sein neuester Aufbau-Strategie-Streich die Ubisoft-Konkurrenz in Grund und Boden. Komplexe, aber nicht überkomplizierte Warenketten, ein unheimlich hoher Wuselfaktor und ein sinnvoller Zweiklang aus Militär und Handel wecken große Hoffnungen auf ein Aufbau-Spiel mit hohem Sog-Effekt. Zudem ist die erste Release-Version stabiler und ressourcenfreundlicher als so manches AAA-Spiel. Wenn die Aufbau-Strategie entsprechend nachlegt und ihre starken Ansätze mit größerem Anspruch im späten Spiel abrunden kann, steht Aufbau-Fans endlich ein würdiger Siedler-Erbe ins Haus.

  • PRO
    • Hoher Wuselfaktor, große Warenketten, viele Gebäude, Produkte und Berufe, gelungene Kombination aus Handel und Militär.
  • KONTRA
    • Keine Kampagne, Leerlauf im späteren Spiel, noch fehlende Features (großes Lager, Transporttiere, Brücken etc.).

Portraitfoto des IMTEST-Redakteurs Eike Cramer

Eike ist Spiele- und Hardware-Redakteur aus Leidenschaft: Nach seinem abgeschlossenen Studium der Politikwissenschaft zog es ihn direkt zur Spieleredaktion 4players.de in Hamburg, bei der er zwischen 2013 und 2023, mit einem zweijährigen Zwischenstopp beim Musikmagazin Metal Hammer, als Redakteur und Video-Redakteur beschäftigt war. Eike ist dabei ein echter Alleszocker, der, egal ob Indie oder AAA-Blockbuster, auf PC und Konsole zwischen Strategie, Action-Adventure, Rollenspiel und Shooter kaum ein Genre auslässt. Derzeit ist er als freier Autor aktiv.