Ist das die große Social-Media-Wende? Der ehemalige Kurznachrichten-Primus Twitter, der nach der Übernahme von Elon Musk im Jahr 2022 kurzerhand in X umbenannt wurde, verliert zunehmend an Popularität und Werbekunden. Spätestens seitdem der Tech-Milliardär seine Unterstützung für Donald Trump bekundete, kehrten viele Prominente und Organisationen dem Netzwerk den Rücken. Nach der US-Wahl hat jetzt der große eXit begonnen.
Der Grund: Zunehmende Deregulierung und der Einfluss von Elon Musk auf die Inhalte. So wird das Netzwerk für viele User im Hinblick auf politisches Ungleichgewicht zugunsten rechtspopulistischer Inhalte sowie fehlende Moderation gegen Hassrede und Beleidigungen immer problematischer. Derzeit größter Profiteur des Abstiegs von X-Twitter ist das soziale Netzwerk Bluesky, das 2023 an den Start ging.
Was ist Bluesky Social?
Auf den ersten Blick ist Bluesky Social, wie das Netzwerk eigentlich heißt, ein Klon des ursprünglichen Twitter. In einer sehr ähnlichen Oberfläche können die User Nachrichten mit bis zu 300 Zeichen verfassen, die in einem Feed zusammengestellt werden. Dabei kann man sich auf einen “Discover” Algorithmus verlassen, sich nur die Inhalte von Profilen anzeigen lassen, denen man selbst folgt, oder thematische Feeds abonnieren.
Bluesky Social ist seit Februar 2024 frei zugänglich, zuvor gab es eine längere Test-Periode, für die man einen Einladungs-Code benötigte. Seit der US-Präsidentschaftswahl Anfang November erlebt das Netzwerk vor allem in den USA einen Nutzer-Boom. So sind die Zahlen seit Ende Oktober von 13 Millionen auf knapp 20 Millionen Mitglieder angewachsen. Verglichen mit X ist Bluesky aber immer noch verhältnismäßig klein. Laut Musk sollen angeblich 600 Millionen Nutzer auf seiner Plattform aktiv sein.
Wer steckt hinter Bluesky Social?
Die Ähnlichkeit zu Twitter ist bei Bluesky Social kein Zufall. Ursprünglich war Bluesky nämlich sogar ein Ableger des großen Kurznachrichten-Bruders. Die Initative “Bluesky” wurde von Twitter selbst angestoßen und 2021 als gemeinnütziges Unternehmen aus der Aktiengesellschaft ausgegliedert.
Twitter-Gründer Jack Dorsey selbst übernahm sogar einen Platz im Board of Directors von Bluesky, während Jay Graber zur CEO des ausgegliederten Unternehmens wurde. Sie hatte unter Dorsey die Leitung des Projektes innerhalb von Twitter inne. Jack Dorsey schied im Mai 2022 bei Twitter aus. Auch Bluesky kehrte er 2024 den Rücken.
Was unterscheidet Bluesky Social von X?
Ziel war die Schaffung eines dezentralen Netzwerkprotokolls namens AT Protocol, auf dem auch das neue soziale Netzwerk fußt. Bluesky Social soll aber nur eine Anwendung unter vielen sein, die das dezentrale, soziale Netzwerk nutzen können. Technisch setzt das Protokoll nicht auf eine zentrale Serverstruktur, sondern teilt die Erstellung, Verteilung und Auslieferung seiner Inhalte auf viele kleinere Mikro-Services auf. Damit erinnert das System ein Stück weit an das soziale Netzwerk Mastodon.
Grundidee des Netzwerkes ist dabei, dass auch andere Unternehmen auf diese Technologie aufsetzen können sollen. So ist Bluesky ein “Open Source”-Projekt. Damit können alle interessierten Entwickler auf den Code zugreifen und eigene Schnittstellen entwickeln. So wird es auch keine geheimen Algorithmen geben. Diese sind das Kernkonzept von Plattformen wie Instagram, Threads, YouTube, Facebook und X.
Weiterhin sollen Nutzer und Firmen eigene Server anlegen können, deren Datensätze sie bei Bedarf auch zu anderen Netzwerken umziehen können. Hier soll es auch die Möglichkeit geben, eine eigene Domain zu nutzen. Diese Funktion ist derzeit aber nur sehr eingeschränkt verfügbar. Auf diese Weise kann das Nutzernamen-Anhägsel “.bsky.social” frei gestaltet werden.
Was zeichnet Bluesky Social besonders aus?
Angesichts der Hass-Schwemme und fehlender Moderation auf X hat sich Bluesky Social vor allem die inhaltliche Regulierung des Netzwerkes auf die Fahnen geschrieben. So bekommen die Nutzer viele Werkzeuge in die Hand, um Themen und Schlagwörter konsequent auszublenden. Neben Filtern für Gewalt-Bilder oder sexuelle Inhalte, können auch YouTube- oder Spotify-Links verborgen werden.
Dazu gibt es Moderationsteams, die Inhalte überprüfen und verhältnismäßig konsequent sperren, wenn sie gegen Nutzungsrichtlinien verstoßen. Dazu gehören unter anderem Gewaltaufrufe, rassistische Beleidigungen und Co. Bluesky funktioniert hier ähnlich wie Twitter, bevor Elon Musk weite Teile der Inhalts-Moderation in seinem Netzwerk abgeschafft hat.
Gibt es bei Bluesky Social Werbung?
Bluesky ist als gemeinnützige Organisation anders aufgestellt als eine Aktiengesellschaft. Trotzdem bezahlen sich Server und Mitarbeiter natürlich nicht von selbst. Wie genau sich Bluesky auf lange Sicht finanzieren will, scheint dabei noch einigermaßen unklar zu sein. Auf Werbung wollen die Betreiber eigentlich verzichten, vorhandene Bezahl-Funktionen sind für die meisten User uninteressant. Bisher finanziert sich das Projekt über Investoren.