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Zeiss Terra ED 10×42 im Test: Einstieg in die Fernglas-Oberklasse

Warum das 500-Euro-Fernglas ein guter Allrounder ist, klärt der Test.

Das Zeiss-Fernglas Terra ED samt Nackengurt, auf Rindenmulch vor einem Bauch.
© IMTEST

Es gibt viele namhafte Fernglas-Marken, die hervorragende Qualität abliefern. Die japanischen Firmen Nikon und Kowa zum Beispiel oder Vortex und Maven aus den USA. Dazu bekannte deutsche Traditionshersteller von Steiner über Eschenbach bis DDOptics. Naturbeobachter und Vogelliebhaber mit besonders hohen Ansprüchen und einer dickeren Geldbörse greifen gerne zu Gläsern (und Spektiven) von Swarovski, Leica oder Zeiss. Auch IMTEST hat bereits mehrere Modelle der drei Hersteller unter die Lupe genommen. Das Zeiss Conquest HD schwang sich dank seiner grandiosen Optik zum Testsieger im Preis-Segment um 1.200 Euro auf. Leicas Trinovid HD wiederum bestach mit fast perfekter Handhabung. Und das vielleicht beste Kompakt-Fernglas für Reisende ist Swarovskis Edel-Zwerg CL Pocket.



Nun stellt sich das Zeiss Terra ED zum Test vor: Es kostet je nach Ausführung – 8×42 oder 10×42 – im Internet aktuell circa 500 Euro. Wer auch im Outdoor-Modus Wert auf einen modischen Auftritt legt, den dürfte freuen, dass es das mit einer griffigen Gummiarmierung versehene Fernglas nicht nur in Schwarz, sondern auch in den Farben Grau, Grün und Orange gibt.

IMTEST hat explizit das beliebte Standard-Format 10×42 – sprich 10-fache Vergrößerung bei einem Objektiv-Durchmesser von 42 mm – unter die Lupe genommen. Wer sich mit einer 8-fachen Vergrößerung wohler fühlt, der ist aber ebenfalls gut beraten mit diesem Test. Es gibt das Terra ED aber auch mit 32 mm Objektiv-Durchmesser, die Varianten 8×32 und 10×32 sind aber ein Stück kompakter, so dass sich die Geräte speziell im Punkt Handhabung durchaus von den 42-mm-Modellen unterscheiden.

Das Fernglas Zeiss Terra ED, vor weißem Hintergrund.
Das Terra ED wirkt mit seiner genoppten Oberfläche etwas sportlicher als das teurere Conqest HD aus demselben Hause. Das Fernglas gibt es nicht nur in Schwarz, sondern auch in Grau, Grün und Orange. © Zeiss

Zeiss Terra ED: Robust, griffig & gar nicht so leicht

Mit 725 g liegt das Terra ED 10×42 in puncto Gewicht im Normalbereich hochwertiger 10×42-Ferngläser. Es ist gut 60 g leichter als der größere Bruder Conquest HD und ein paar Gramm schwerer als die kürzlich getesteten Modelle von Leica und Nikon. Das Terra ED ist hochwertig verarbeitet, liegt gut in der Hand und ist mit einer griffigen Gummiarmierung überzogen. Für gut 500 Euro bekommt man stabile Markenqualität – dennoch ist in puncto Handgefühl und Verarbeitung ein Abfall im Vergleich zu den 1.200-Euro-Ferngläsern auszumachen.



Auch ein Blick zum 10×42 Pro von Rollei, das ebenfalls bei 500 Euro liegt, lohnt sich: Das Gerät von Rollei ist größer, wuchtiger und nicht so griffig, wirkt gleichzeitig aber moderner und traut sich mehr mit seinem Doppelsteg-Design und den tiefen Fingermulden. Stark ist beim Zeiss Terra ED das leichtgängige Knicken der Fernglasbrücke. Gut, aber nicht überragend sind die etwas schwergängigen Augenmuscheln. Der Mitteltrieb zum Scharfstellen des Bildes ist noch gut, das Drehrad könnte aber ruhig einen Tick feingängiger und graziler sein.

Zeiss-Fernglas, das auf Steinen liegt, dahinter Gräser.
Die Augenmuscheln lassen sich in zwei Stufen herausdrehen – andere Ferngläser bieten da mehr Einstellungen. Schön ist, dass Gurt und Kordeln beim Terra ED schon “ab Werk” angebracht sind. © IMTEST

Wie gut ist die Optik vom Zeiss Terra ED?

Beim Blick durch die mehrschichtvergüteten Linsen mit – laut Zeiss – 88% Lichttransmission war IMTEST zufrieden, aber gleichzeitig auf hohem Niveau enttäuscht. Keine Frage, mit einer Durchschnitts-Note von 1,9 in der Kategorie Optik, ist das Terra ED ein Fernglas mit richtig guten optischen Eigenschaften. Der Unterschied zum kürzlich unter die Lupe genommenen Zeiss Conquest HD war aber beachtlich. Sowohl in der Nähe (z. B. beim Betrachten von Moos an einem Baumstamm) als auch in der Ferne (beim Blick auf das feingliedrige Geäst am gegenüberliegenden Seeufer) war die Bildschärfe hoch, aber eben nicht sehr hoch. Auch am Teststand unter Neonlicht war die Schärfe hoch.

Augenmuscheln
Die meist in zwei bis drei Stufen herausdrehbaren Plastik-Schalen, durch die man ins Fernglas blickt. Sie schirmen das Auge von seitlichem Lichteinfall ab und helfen, sich auf den Blick durchs Fernglas zu konzentrieren. Brillenträger belassen die Augenmuscheln im nicht herausgedrehten Zustand, weil sie durch die Brille schon mehr Abstand zum Okular haben.

Bauweise: Dachkant oder Porro
Diese beiden Begriffe bezeichnen die gängigen Bauarten aller Ferngläser. “Porros” sind die breiten, altmodisch wirkenden Ferngläser, wie man sie z. B. von der Bundeswehr kennt. Dachkant-Ferngläser sind schlanker und kompakter, aber mitunter länger – diese Bauweise hat sich durchgesetzt. Entscheidend dafür ist die Anordnung der Linsen: Porro-Gläser sind schematisch simpler, der Aufbau der Prismen braucht aber mehr Platz in der Breite. Dachkant-Ferngläser sind komplizierter und schwerer zu bauen – mit fortschreitender Ingenieursleistung wurden sie jedoch immer besser und stellen heute sowohl den Löwenanteil als auch die qualitative Speerspitze moderner Ferngläser dar.

Dioptrien-Ausgleich
Das ist der Mechanismus – meist am rechten Objektiv, manchmal in den Mitteltrieb integriert –, mit dem Unterschiede in der Sehstärke zwischen den beiden Augen ausgeglichen werden.

Gummiarmierung
Die weichere Schicht auf der Außenhülle des Fernglases. Eine Gummiarmierung sorgt einerseits für den nötigen Grip (auch bei feuchten Händen), andererseits schützt es das Fernglas bei Stößen. Beim Hersteller Zeiss kommt beispielsweise Nitril-Butadien-Kautschuk zum Einsatz.

Mitteltrieb
Das zentrale Einstellrad zwischen den beiden Objektiv-Tuben. Hier wird mit nur einem Finger das Bild scharfgestellt.

Objektiv-Durchmesser
Die zweite Zahl in der Bezeichnung vieler Ferngläser – im vorliegenden Test sind das „32“ bzw. „30“ und “42”. Sie gibt den Durchmesser der weitere von den Augen entfernten Öffnung beim Fernglas an. Es gilt: Je größer der Objektiv-Durchmesser, desto mehr Licht gelangt ins Fernglas. Kompakt-Gläser haben meist 32 oder 40mm, Ferngläser mit 50mm oder mehr sind vor allem für Aktivitäten in der Dämmerung gedacht, z. B. bei der Jagd.

Schärfentiefe
Dies bezeichnet den Bereich, in dem der Benutzer das Gesehene durch die Optik als scharf wahrnimmt. Besitzt ein Fernglas eine große Schärfentiefe, dann ist der als scharf empfundene Bereich breiter als bei einem Fernglas mit geringer Schärftentiefe. Weil man dann seltener nachfokussieren muss, kann langes Beobachten weniger ermüdend sein.

Sehfeld
Das Sehfeld eines Fernglases wird meist in Metern angegeben. Die Zahl beschreibt, wie groß der sichtbare Bildausschnitt auf eine Entfernung von 1.000 Metern ist. Generell gilt: Je größer das Sehfeld, desto besser.

Vergrößerung
Die erste Zahl in der Bezeichnung vieler Ferngläser – im vorliegenden Test ist das die „8“ bzw. “12”. Das heißt: Der Blick durchs Glas lässt Objekte achtmal bzw. zwölfmal so groß erscheinen wie mit bloßem Auge.

Vergütung
Generell möchte man die Lichtreflexionen auf der Linse minimieren – es soll weniger Licht reflektiert werden und mehr ins Objektiv eindringen. Während bei einem einfachen Fernglas nur rund 50% des Lichts ankommen, schafft ein vollvergütetes Glas schon Werte von 75%. Durch sogenannte Mehrfach-Vollvergütung kommen Top-Gläser auf eine Transmission (Lichtdurchlässigkeit) von über 90%. Diese Vergütung erreicht man durch das komplizierte Aufdampfen verschiedenster, hauchdünner Schichten auf das Glas.

Zum Vergleich hat IMTEST dann nochmal das Kite Bonelli 2.0, den klaren Fünft-Platzierten im Test der 1.200-Euro-Ferngläser, ausgepackt. Und festgestellt, dass hier der Preis doch sehr aussagekräftig für die optische Qualität ist – das Terra ED musste sich geschlagen geben. Im Vergleich zum Preis-Kollegen von Rollei ist der Unterschied gering: Das Rollei-Glas ist schärfer in der Nähe und beim Blick aufs Testbild, hat aber z. B. eine deutlich schlechtere Naheinstellgrenze. Dieser Wert kennzeichnet den Mindestabstand zu einem Objekt, damit man es beim Blick durchs Fernglas scharfstellen kann. Hier kommt das Zeiss Terra ED 10×42 auf einen tollen Wert von nur 1,6 Meter. Weniger glücklich ist IMTEST mit der sogenannten Schärfentiefe: Der Bereich, den man beim Durchblicken als gestochen scharf wahrnimmt, ist beim Terra ED relativ gering. Häufigeres Nachjustieren beim Beobachten ist die Folge.

Zeiss Fernglas mit See und Stadt im Hintergrund.
Es muss nicht immer der Lummensprung auf Helgoland sein. Auch am kleinen See im Stadtpark können Vogel-Fans schöne Beobachtungen machen. Das Terra ED ist nah wie fern schön scharf, kommt auch mit Gegenlicht-Situationen gut zurecht. © IMTEST

Das Sehfeld von 110m gibt keinen Anlass zur Kritik, ebenso die Farbwiedergabe. Am Labor-Teststand wirkte das Bild einen Tick zu warm, draußen im Park aber gefiel die sehr natürliche Farbwiedergabe. Zufrieden ist IMTEST auch mit der nur geringen Kissenverzeichnung sowie der generellen hohen Randschärfe. Auch hier gibt es aber ein Defizit im Vergleich zum teureren Conquest HD. Nicht so beim Punkt „chromatische Abberation“: Störende Farbsäume traten beim Terra ED fast überhaupt nicht auf.

Zeiss Terra ED: Ausstattung, Handling, Garantie & mehr

Das Terra ED kommt mit einem schlanken, robusten und formschönen Hartschalen-Case daher, das ausreichend Platz für Fernglas samt Nackengurt bietet. Ein netter kleiner Bonus, der IMTEST besser gefällt als die Tasche, die dem deutlich teureren Conquest HD beiliegt. Top sind auch der weiche und breite Nackengurt selbst sowie die Objektivschutz-Deckel, die mittels praktischer, abstöpselbarer Kordeln am Fernglas befestigt werden. Die Augenmuschel-Kappen sind soft und passgenau.

Ein Stativgewinde zum Anschrauben eines Adapters fehlt bei Terra ED, dafür liegt ein kleines Mikrofasertuch zum Säubern der Linsen bei. Natürlich ist auch dieses Zeiss-Fernglas wasserdicht und darf bei Schmuddelwetter mit nach draußen zum Spielen. Und sollte mal ein Defekt vorliegen, bietet der Hersteller einen umfassenden Ersatzteil- und Reparaturservice an. Allerdings gibt Zeiss nur zwei Jahre Garantie auf seine Terra-ED-Ferngläser, ein deutlicher Abfall im Vergleich zu den zehn Jahren bei den Premium-Modellen.



Das Terra ED kann man mit einer Sehhilfe problemlos nutzen, IMTEST hat’s ausprobiert. Und für Unterschiede in der Sehstärke zwischen den beiden Augen gibt es einen Dioptrienausgleich unter dem rechten Okular, das ist bekanntlich ein Standard-Feature bei Ferngläsern. Das Zeiss Terra ED steckt in einer schicken, wertigen Karton-Verpackung, die auf den Schaumstoff der Conquest-HD-Box verzichtet, aber trotzdem noch eine Spur zu groß im Vergleich zum Inhalt ausfällt.

  • Zeiss Fernglas auf Steinen, daneben das schwarze Hartschale-Case.
  • Leicht geöffnetes Hartschalen-Case in schwarz, in dem ein Fernglas ruht. Das ganze liegt auf einer Holzbank, eine Hand öffnet das Case.

Fazit

Das Zeiss Terra ED 10×42 ist ein richtig gutes, robustes Allround-Fernglas – und sitzt mit seinem Preisschild von circa 500 Euro an der spannenden Grenze zwischen Marken-Modellen im gehobenen Einsteiger-Segment und der Premium-Klasse. Für Vogel- und Naturfans mit kleinerem Budget bietet das Terra ED eine faire Möglichkeit, mit einem Glas, auf dem das berühmte Zeiss-Logo klebt, auf die Pirsch zu gehen. Und in der Tat sind nicht nur die optischen Eigenschaften, sondern auch die Handhabung und Ausstattung rundherum gelungen.

Gleichzeitig hat IMTEST der doch klar sichtbare Unterschied zur nächst höheren Liga – repräsentiert durch das Zeiss Conquest HD – überrascht. Das liegt zum einen daran, dass gerade das mit grandioser Optik punktet, aber auch daran, dass die Bildschärfe beim Terra ED in allen Kategorien eben nur hoch, aber nicht sehr hoch ist. Und damit fällt der qualitative Unterschied zu 200- bis 300-Euro-Ferngläsern von Kowa oder Nikon nicht mehr groß aus. Ein Plus beim Terra ED sind wiederum die tolle Naheinstell-Grenze und die wertige Tasche.

  • PRO
    • Robuste, hochwertige Verarbeitung, sehr gute Hartschalen-Tasche, top Farbwiedergabe, hohe Schärfe in allen Situationen.
  • KONTRA
    • Klares Schärfe-Defizit im Vergleich zur Premium-Klasse, Fokussier-Rad etwas grob, geringe Schärfentiefe.

IMTEST Ergebnis:

gut 2,2

Portrait Matthias Schmid

Matthias Schmid wollte im Berufsleben "irgendwas mit Video- und Computerspielen" machen – deshalb studierte er nach dem Abitur Informatik, um selbst Spiele zu entwickeln. Nach dem Studium kam die 180-Grad-Wende: Matthias wechselte in die schreibende Zunft, absolvierte ein Volontariat bei einer renommierten Spiele-Fachzeitschrift und wurde 2004 Videospiel-Redakteur in Vollzeit. Damit lebt er seit nunmehr 19 Jahren seinen beruflichen Traum: Spiele testen und darüber schreiben. Diese Jobbeschreibung greift freilich zu kurz: Matthias hat Spiele-Magazine und -Webseiten mitkonzipiert, Fachmessen in aller Welt besucht und Entwicklern bei der Arbeit über die Schulter geschaut. Er hat ebenso großen Spaß mit Action-Blockbustern wie mit kleinen Indie-Spielen und liebt es nachzuforschen, wer die Macher hinter den Spielen sind. Neben Video- und Computerspielen faszinieren ihn aktuelle Top-Smartphones und – als begeisterter Vogelbeobachter – alles, was mit Ferngläsern zu tun hat.